Klassik

Abschiedskonzert für Jochen Lemme, den Macher der Konzerte in der Fautenbacher Kirche

KUNST UND LEBEN: Dank des unermüdlichen Engagements von Jochen Lemme gibt es seit 40 Jahren Konzerte in der Fautenbacher Kirche.

ACHERN. Um die 1500 Veranstaltungen hat Jochen Lemme in den 40 Jahren seiner Tätigkeit für die Stadt Achern organisiert und betreut, darunter allein rund 450 Konzerte jener Reihe, die er selbst gegründet hat und die unter dem Signum "Alte Kirche Fautenbach" bundesweit bekannt und zu einer der erfolgreichsten Kammermusikreihen zwischen Basel und Mannheim wurde. Das ist keine schlechte Bilanz für einen, der "nur" freier Mitarbeiter der Stadt war, mit eigenem Büro im Rathaus. Am 30. Juni geht Jochen Lemme in den Ruhestand, tags darauf, am 1. Juli, bestreitet er sein Abschiedskonzert, das er selbst dirigieren wird.

Durch die 1994 begonnene Zusammenarbeit mit dem Südwestfunk Baden-Baden und der dortigen Leiterin der Kammermusik-Abteilung, Lotte Thaler, waren die Konzerte in der Alten Kirche via Rundfunk auch in anderen ARD-Sendebereichen zu hören. Lemme, der etliche Anekdoten aus seinem Leben erzählen kann, hat auch dazu eine: Bei einem Aufenthalt in Berlin wurde er von Musikern angesprochen. "Es gibt da eine Kammermusikreihe, wir haben sie im Radio gehört und würden dort gern auftreten. Kennst du die", wurde er gefragt. "Die muss irgendwo bei euch da unten sein – Alte Küche Fautenbach oder so." Zwar wurde im Gehörgang des betreffenden Musikers aus der Alten Kirche eine Alte Küche – doch seit er mit seinem Ensemble in Fautenbach auftrat, weiß er Bescheid.

Zu Lemmes Engagement für die Acherner Kultur kam es 1976 durch ein Konzert des später weltbekannten Abegg-Trios im Acherner Bürgersaal. Dessen Geiger Ulrich Beetz lebte in Achern und war Kollege von Lemme beim SWR-Orchester. Es war das erste Konzert des Trios überhaupt. Lemme: "Es war schlecht besucht, die Werbung war miserabel gewesen." Verärgert sprach er den Zuständigen, VHS-Chef Hans-Georg Mennig darauf an. Dessen Reaktion: Er bot Lemme die Aufgabe als Organisator einer Kammermusikreihe an, mit einem Budget von 10 000 D-Mark. 320 Abonnenten habe man in der ersten Saison 1977/78 durch persönliche Ansprache geworben. Lemme: "115 warb ich persönlich." Bald darauf erwarb der Acherner Unternehmer Karl Bold die Fautenbacher Kirche von der Erzdiözese Freiburg. Bold war begeistert von der Idee, die Kammermusikreihe vom Bürgersaal in "seine Alte Kirche" zu verlegen, und investierte erhebliche Summen in den Umbau. So entstand ein Konzertsaal mit außergewöhnlichem Ambiente und einer herausragenden Akustik. Bereits für die erste Saison 1985/86 meldeten sich 440 Abonnenten an – mehr, als Plätze vorhanden waren. So entstand der Rhythmus von zwei identischen Sonntagskonzerten, jeweils 11 und 19 Uhr.

"Das Konzert ist auch ein Geschenk an mich selbst"

Zeitgleich mit dem Umzug der Kammermusikreihe in die Alte Kirche wurde Lemme zum Kulturbeauftragten der Stadt Achern ernannt. 1989/90 startete er die Reihe "Gong Achern", mit Theater, Literatur, Kabarett, Folk, Jazz. Was ihn freut: Dass seine Nachfolgerin Nicole Reuther zumindest eine 0,75-Prozent-Stelle erhält. Lemme: "Obwohl der Arbeitsanfall deutlich darüber liegt."

Von Anfang an habe er sich für die Geige interessiert, sagt Lemme, dessen Vater ein exzellenter Pianist war. Doch erst im Alter von zehn Jahren erhielt er Unterricht. Seine Entwicklung wies rasch in eine professionelle Richtung. Lemme studierte in Freiburg, kam Mitte der 1960er Jahre an die damals neue Städtische Musikschule Lahr, mit Klaus Matakas und Dietmar Mantel. 1971 erspielte er sich eine Stelle im Südwestfunkorchester Baden-Baden, später wurde er dort stellvertretender Solobratscher.

Sein Hobby ist Fußball. Im Team der SWR-Orchesterkicker war Lemme Spielführer. Heute ist er mehr der "Fernseh-Sportler". Für sein erstes Jahr im Ruhestand hat er sich etwas sehr Ambitioniertes vorgenommen: Ein Jahr lang keinerlei Termine. Die letzen 40 Jahre habe er stets nach dem Kalender gelebt, daher sein Entschluss: "Ich mach’ ein Jahr lang nix!"

Seine letzte Amtshandlung – das Abschiedskonzert – sieht er auch nur halb als "Amt", obwohl er derzeit bereits intensiv am Proben ist. "Es ist mehr ein Geschenk", sagt er, "an das Publikum in Achern und der Ortenau, das meinen Veranstaltungen die Treue hielt, an die Stadt Achern und auch an mich selbst."

Abschiedskonzert für Jochen Lemme: Samstag, 1. Juli, 20 Uhr, Schlossfeldhalle Achern-Großweier, Jochen Lemme und Freunde: Beethoven, Violinkonzert D-Dur, op. 61, Solist: Christian Ostertag, Tschaikowsky, Sinfonie Nr. 5, e-moll, opus 64. Tickets gibt es im Internet über das Portal http://www.ortenaukultur.de oder über die Vorverkaufsstellen der Stadt Achern
von Robert Ullmann
am Mo, 26. Juni 2017

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