Elsass

Affenberg in Kintzheim

Zu Besuch bei den Berberaffen auf dem Montagne des Singes im elsässischen Kintzheim .

Die kleine Kinderhand streckt sich dem Affen schüchtern entgegen, hält ihm ein Stückchen Popcorn hin. Der Berberaffe will gerade zugreifen, schwupps, da schließt sich die Hand. Der dreijährige Maél hat wohl gerade entschieden, die Leckerei selbst zu behalten. "Willst du dein Popcorn nicht hergeben?", fragt der Papa. Der Affe aber öffnet seelenruhig Finger für Finger der Kinderhand und gelangt so doch noch an seinen Snack. Maél staunt über diese Gewitztheit der Affen. Ein neues Stück Popcorn in der Hand zieht er weiter: Da räkelt sich ein Affe auf der Bank, dort schläft einer sitzend, über uns turnen ein paar Kleine von Ast zu Ast. Es ist Mittagszeit – und auch die Berberaffen halten Siesta.

Plötzlich aber kommt Leben in die Gruppe, ein Eimer hat ihre Aufmerksamkeit erregt, Salatblätter gucken oben heraus, eine Mitarbeiterin des Affenbergs kommt den Hügel herauf. Neben den Felsen am höchsten Punkt des Affenbergs packt sie die Leckereien aus: Nektarinen, Papayas, eine Artischocke. Die Affen rennen los: Ein Kleiner hat die Nektarine ergattert, blitzschnell rast ein ausgewachsener Artgenosse an ihm vorbei, entreißt ihm die Frucht und lässt sich dann gemütlich kauend auf einem Baumstumpf nieder. Der Kleine, wohl gerade drei Jahre alt, weiß genau, dass er seine Leckerei nicht zurückerobern kann. Aber er hat Glück, gleich nebenan liegt ein Zweig Trauben.

Während die Affen vespern, erzählt die Mitarbeiterin einiges über das Verhalten der Tiere, zunächst auf Französisch, dann auf Deutsch. "Was glaubt ihr", fragt sie die Kinder, "wer ist wohl der Chef bei den Affen?" "Der Älteste", meint Marie, sechs Jahre alt. Der Stärkste wird woanders vermutet. Oder ist es gar ein Weibchen? Nein, erklärt uns die Expertin: Derjenige mit den meisten Freunden. Wir staunen: In jeder der im Park lebenden Gruppen herrscht eine klare Rangordnung, Chef der Gruppe wird immer ein Männchen zwischen zehn und fünfzehn Jahren, und zwar jenes, das besonders viel Unterstützung von anderen Männchen genießt. Vor uns entblättert gerade ein Männchen die Artischocke, während es interessiert in alle Richtungen schaut, saugt es genüsslich Blatt für Blatt aus, hat merklich keine Eile und keine Sorge, dass sie ihm entrissen wird. Wir erfahren: Das ist der Chef der Gruppe, die am Felsen lebt.

Obst, Gemüse und Getreide stehen mehrmals täglich auf dem Speiseplan, die Berberaffen auf dem Montagne des Singes sollen ausgewogen ernährt werden. Außerdem gibt es in der Flora und Fauna des Geländes einige Leckerbissen zu erhaschen. Auch darum sind die Affen nicht wild hinter dem Popcorn her, von dem jeder Besucher am Eingang eine Handvoll bekommt. In anderen Parks reißen einem die Affen das Popcorn schon mal aus der Hand oder versuchen im Rucksack zu räubern. In Kintzheim will man das nicht. Viele Mitarbeiter in gelben T-Shirts sind unterwegs, achten darauf, dass die Besucher – aber auch die Affen – sich richtig verhalten. "Immer eine Armlänge Abstand vom Tier halten, das Popcorn auf der flachen Hand anbieten und nicht rennen", erklärte uns eine junge Mitarbeiterin am Eingang.

Unterwegs treffen wir sie wieder, diesmal macht sie uns auf ein schwarzes Beinchen aufmerksam, das zwischen zwei kuschelnden Affen herausguckt: ein wenige Wochen altes Baby. Zwischen Frühling und Sommer kommen jährlich rund 15 Affenjunge im Zoo zur Welt. Das kleine Baby, das wir beobachten, ist schon recht munter. Immer wieder springt es vom Schoß der Mutter, versucht zu klettern, greift daneben, purzelt auf den Waldboden. Irgendwann kommt ein ausgewachsenes Männchen, trägt das Äffchen zu einem anderen Männchen, sie nehmen das Baby in die Mitte, zupfen ein wenig an ihm herum. Dann springt der kleine Wildfang wieder davon.

Ein Verhalten, das unter Primaten einzigartig ist, wie uns eine Mitarbeiterin erklärt. Da sich die Weibchen mit mehreren Partnern paaren, ist nicht festzustellen, wer der Vater ist. Trotzdem erregen die Babys von Geburt an reges Interesse bei den Männchen, sie tragen, pflegen und hüten sie, greifen ein, wenn ein Kleines bedroht wird. Und sie leihen sich von der Mutter ihr Baby aus, um damit zu einem anderen Männchen Kontakt zu knüpfen. So werden freundschaftliche Bande gestärkt und eben auch mächtige Bündnisse geschlossen.
von Silke Kohlmann
am Fr, 15. September 2017

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