Rock

Alejandra Ribera tritt im Freiburger Jazzhaus auf

Alejandra Ribera tritt im Freiburger Jazzhaus auf.

Wenige Male im Leben, vielleicht aber auch nur ein einziges Mal trifft man auf eine Stimme, die jede Faser des Körpers bannt. Eine Stimme, die vielleicht nicht einmal schön sein mag im ästhetischen Sinne, die sich aber ins Wesen der Hörer eingräbt, weil sie fühlen. Bei Alejandra Ribera, die nun im Jazzhaus auftritt, bahnen sich Leid, Freude, Trauer, Furcht, Befreiung und Erlösung einen Weg, direkt und kompromisslos.

London, Ontario. Die Aeolian Hall ist eines der wenigen historischen Gebäude in der südkanadischen Stadt. Es ist Alejandra Riberas Lieblingssaal, denn er kommt ihr mit seiner theaterhaften Atmosphäre entgegen. Die Konzerte der Kanadierin mit argentinisch-schottischen Genen sind Drahtseilakte ohne Netz und doppelten Boden. Still zieht sie in ihre Gefühlswelt hinein, und hat sie die Zuhörer gepackt, überwältigt sie mit überraschenden Ausbrüchen von Intensität.

So wie an diesem bitterkalten Märzabend in ihrer Heimat: "Blood Moon Rising" beginnt als gemächlicher Roadmovie-Walzer, steigert sich am Ende aber mit ungebremster Wucht zur Klage über die Kugeln, die ein Verflossener in ihrer Brust hinterlassen hat. Riberas Landsleute sind erst mal erschüttert, wie sich da wisperndes Grollen urplötzlich zum vokalen Vulkanausbruch entwickelt, bevor sich ihr Applaus Bahn bricht. Musik sei für sie Religion, sagt die Sängerin. Und in diesem Sinne auch Heilung.

Die Songs, die Ribera jetzt auch in Deutschland mit Musikern an Gitarre und Bass vorstellt, stammen vom im Mai erscheinenden Album "This Island". Um diese Lieder zu schreiben, siedelte die Kosmopolitin aus Toronto nach einem Intermezzo in Montréal nach Paris über. Die Île de France wurde zu ihrer Insel. Eine Millionenstadt, in der sie niemand kannte und deren Sprache sie nicht fließend beherrschte, wurde zur Einsiedlerzelle.

Durch diese selbstgewählte Klausur nahm ein intimer Zyklus von Liedern Form an, die eher ungewöhnliche Themen haben: Das Licht der Rothko-Gemälde als Trost nach dem unerwarteten Tod eines Freundes. Motive aus dem Film "The Danish Girl" spiegeln eine unmögliche Liaison. Und die Verzweiflung über das Charlie Hebdo-Attentat, das passierte, als sie gerade frisch in Paris angekommen war: Das Geheul der Polizeisirenen um sie herum formte sie, mit Bildern aus Virginia Woolfs "Orlando", zu einer fragilen Beschwörung von Wiedergeburt. Hier wird "This Island" zu "this silent", so still.

Riberas neue Songs fressen sich bei aller Leidensthematik aber nicht im Jammertal fest: Ihre unerschütterliche Hoffnung auf die Liebe und ihr umwerfender Humor, ganz schottisches Erbe, schwingen oft mit, in diesen Songs zwischen Kammerpop und Alternativ-Folk.

Aus den augenzwinkernden Betrachtungen des Comedians Billy Connolly über den Schöpfer aller Dinge hat sie einen spirituellen Skiffle gestrickt. "Carry Me" hat sie als leuchtende Folk-Hymne auf Geborgenheit in der Fremde geschrieben, "Led Me To You" ist ihre Lesart des Gospel, ein Lobpreis auf alle kostbaren Momente von Hoffnung und Wahrhaftigkeit. In "Soft Place To Land" schließlich wird ihre hauchende, rauchige Stimme zur Brise, die den Vogel trägt, damit er einen Landeplatz finden kann. Für die Weltbürgerin scheint dieser Platz noch nicht in Sicht – doch gerade aus der steten Suche nährt sich ihr unvergleichliches Songwriting.

Termin: Freiburg, Jazzhaus Sa, 25. März,
20 Uhr. Platte: This Island (Pheromone/Rough Trade, ab 19. Mai)
von Stefan Franzen
am Fr, 24. März 2017

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