Allerhöchster Spaßfaktor

GERNE WIEDER:Entdeckungstour mit dem Mountainbike im Elsass.

ie unterschiedlich die Menschen doch ticken! Die einen sind immer auf der Suche nach dem Unbekannten, die anderen zieht es Jahr für Jahr an den gleichen Urlaubsort oder sie machen den gleichen Wochenendausflug. Und freuen sich immer wieder aufs Neue, Vertrautes neu zu entdecken. Autoren der BZ schreiben in unserer Serie "Gerne wieder", warum es sie immer wieder an den gleichen Ort zieht. Viel Vergnügen!

WManchmal braucht es ein bisschen Glück im Leben. Oder ist es im Gegenteil von Nachteil, wenn man zum ersten Mal in einer Region unterwegs ist, und hinterher feststellt, dass man zufällig einen der absoluten Höhepunkte gleich bei der Premierentour erwischt hat? Ist eine Region damit quasi schon verbrannt? Mitnichten. Schließlich kann man eine schöne Tour auch ein zweites oder drittes Mal machen – inklusive möglicher Varianten.

Immer wieder fiel im Sommer der Blick von den Gipfeln des heimischen Schwarzwalds rüber Richtung Vogesen. Von Freunden wussten wir, dass ambitionierte Mountainbiker jenseits des Rheins unzählige schmale Wege und Touren aller Schwierigkeitsgrade finden. Die Suche nach einer passenden Tour mit Hilfe einer Navigationsapp war schnell erledigt: Kaysersberg – Lac Blanc – Lac Noir – Lac du Forlet – Trois Epis – Kaysersberg. 54 Kilometer, 1600 Meter nach oben, 1600 Meter nach unten.

"Bonjour!" Ein älterer Herr grüßt uns freundlich, wir erwidern gleichermaßen überrascht wie erfreut seinen Gruß. Warum? Weil wir bereits kurz nach dem Start am Campingplatz von Kaysersberg auf einem schmalen Waldweg – Mountainbiker sprechen von Singletrail – unterwegs sind und genau dort auf den freundlichen Herrn treffen. Es scheint ihn weder zu interessieren noch zu stören, dass wir auf einem Wanderweg fahren. Konflikte zwischen Bikern und Wanderern, sagte der elsässische Mountainbikeprofi Thomas Dietsch der Fachzeitschrift Bike voriges Jahr, gebe es im Elsass kaum. Diesen Eindruck können wir nur bestätigen.

Die Fahrt Richtung Lac Blanc ist anstrengend. Ruppig geht es den Berg hoch, "geschenkte" Höhenmeter auf Asphalt gibt es wenig – und wenn, dann bläst uns der Ausläufer des Sturms Xavier heftig ins Gesicht. Irgendwann sind wir oben, 1055 Meter über dem Meer. Nach einer Apfelschorle und einem Stück Kuchen in der Kneipe am zugigen Parkplatz rechnen wir mit einer schnellen Abfahrt zurück nach Kaysersberg – und finden uns unvermittelt wieder in dem Traum aller Mountainbiker. Kilometerlang geht es wellig auf dem Kamm der Vogesen über schmale Pfade. Mal steinig, mal sandig, mal herbstlich mild, mal windig kühl, mal durch dichten Wald, mal mit Sehnsuchtsaussicht Richtung Alpen. Immer ein bisschen wilder, ein bisschen ursprünglicher als wir es aus dem heimischen Schwarzwald kennen – und immer mit allerhöchstem Spaßfaktor.

Vor lauter Freude über dieses unerwartete Abfahrtsvergnügen vergessen wir unsere müden Beine und ignorieren tapfer unsere schlappen Arme, die Schwerstarbeit verrichten müssen. Unterwegs sehen wir Kriegerdenkmäler und Friedhöfe. Es sind stille Zeugen unvorstellbarer Kriegsgräuel zwischen Deutschland und Frankreich im Ersten Weltkrieg.

Irgendwann nach fünf Stunden Fahrzeit sind wir gerade noch rechtzeitig vor dem angekündigten Regen zurück in Kaysersberg, mit einem fetten Grinsen im Gesicht und der Gewissheit, dass wir wiederkommen. Dann werden wir uns mehr Zeit lassen, werden unterwegs einkehren und ein bisschen elsässische Lebensart aufsaugen. Und wir werden uns in Demut das eine oder andere Denkmal ansehen und dankbar sein, dass die dunklen Zeiten zwischen den beiden Ländern zum Glück schon lange vorbei sind.
von Stefan Zahler
am Sa, 21. Oktober 2017

Badens beste Erlebnisse