"Als wär’s real, staubig und dreckig"

TICKET-INTERVIEW: John Maclean über das Genre Western und sein Langfilmdebüt "Slow West".

Der Zeit der großen Western ist vorbei! Inzwischen sind es aber junge Regisseure, die sich dem Genre hingeben und den Wilden Westen auch mit wenigen Mitteln aufleben lassen. Wie John Maclean, der seinen Freund Michael Fassbender überzeugen konnte, in seinem Langfilmdebüt "Slow West" die Hauptrolle zu spielen. Mit dem Namen eines Filmstars an Bord stand dem Projekt nichts mehr entgegen. Markus Tschiedert traf den Jungregisseur auf dem Filmfest in München.

Ticket: Warum haben Sie sich für Ihren ersten Kinofilm ausgerechnet das Westerngenre ausgesucht?
Maclean: Ich wollte es eben mal anders machen! Ich war viel in den USA unterwegs. Wenn ich erzählte, dass ich Schotte bin, hörte ich oft von Leuten, dass sie schottische oder irische Wurzeln haben. Ich las viel über die Zeit der Emigration nach Amerika. Viele sind dorthin geflohen, und jedes Mal steckte ein Einzelschicksal dahinter.
Ticket: "Slow West" ist kein glorifizierter Western vor der prachtvollen Kulisse des Monument Valley...
Maclean: Nein, ich dachte anfangs, wenn wir eine Geschichte erzählen, die hauptsächlich im Wald spielt, wird es nicht zu teuer. Es ist ja ein Klischee, dass es im Western hohe Gebirge und Wüste geben muss. Die Realität ist jedoch, dass es im Wilden Westen auch ganz viele grüne Berge gibt, man muss sich nur mal in Colorado umsehen.
Ticket: Wo Sie aber auch nicht drehten...
Maclean: Wir drehten in Neuseeland! Nachdem ich das Drehbuch fertig hatte, dachte ich sofort an die praktische Umsetzung und daran, einen Termin zu finden, wann Michael Fassbender Zeit hätte. Er war fast völlig ausgebucht, und sein Agent nannte zwei Möglichkeiten: Entweder steht er in vier Monaten zur Verfügung oder erst wieder in drei Jahren. Da musste ich natürlich handeln, und weil es sich um November und Dezember handelte, suchten wir einen Drehort, der zu dieser Zeit noch viel Sonne hat. Das führte zu Neuseeland.
Ticket: Fassbender spielte bereits in Ihren Kurzfilmen "Pitch Black Heist" und "Man on a Motorcycle". Wie kam es zu Ihrer Freundschaft?
Maclean: Ich kannte seinen Agenten, der ihm frühere Filme von mir zeigte, die ich nur für Freunde ohne Geld gedreht hatte. Wochen später traf ich Michael. Damals drehte er gerade mit Tarantino "Inglourious Basterds" und sagte zu mir: "Wenn du irgendwas mit mir drehen möchtest, kann ich dir einen Tag geben." So kam es zu "Man on a Motorcycle", und er war so begeistert, dass er mir beim nächsten Film drei Tage gab und den Vorschlag machte, wir sollten mal einen richtigen Kinofilm zusammen machen.
Ticket: Als Revolverheld ist Fassbender richtig cool und erinnert an Westernstars wie Clint Eastwood und Steve McQueen. Sind das Vorbilder, auf die Sie die Rolle für Fassbender abgestimmt haben?
Maclean: Also wenn, dann dachte ich eher an Burt Lancaster. Ich finde, Michael hat was vom jungen Lancaster aus dem Klassiker "Zelle R 17". Aber ich wollte Michael nicht damit beleidigen, über andere Schauspieler zu reden. Einzig "Red River" erwähnte ich vor ihm, weil Montgomery Clift darin eine ziemliche Coolness besitzt, die ich für damals ungewöhnlich fand. Daran haben wir uns orientiert.
Ticket: Haben Sie mit "Slow West" den Anspruch, den Western wieder auferstehen zu lassen?
Maclean: Man kann nur neue Wege suchen, um Geschichten aus dieser Zeit zu erzählen. Man muss zu dem Ursprung zurück, und das haben inzwischen schon einige Filmemacher getan. Ich erinnere nur an "True Grit" von den Coen-Brüdern und Jim Jarmuschs "Dead Man". Große Filmstudios sträuben sich eher vor der Realisierung eines Westerns, weil sie glauben, dass nur noch Filme mit vielen Computereffekten ankommen. Aber ein Western muss sich real, staubig und dreckig anfühlen.
Ticket: Werden Sie weiterhin nur mit Michael Fassbender arbeiten?
Maclean: Das weiß ich nicht. Michael ist ja ein vielbeschäftigter Mann. Und das Drehbuch muss stimmen. Da ist er wie ich. Ich will auch nicht nur einen Film drehen, um einen Film zu drehen, sondern suche nach besonderen Stoffen. Vielleicht handelt mein nächster Film von Kindern oder Affen, wo Michael gar nicht hineinpasst. Wer weiß, was kommt. Ich habe aber auf jeden Fall seine Nummer.
von tsc
am Mi, 29. Juli 2015

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