Gefrorenes Glück

Wer Lust auf Weiß hat, kann vom Rinken bei Hinterzarten aus

Wenn der Winter schwächelt, ist es so weit: Wir packen die Rucksäcke, uns in warme Kleider, trittfeste Schuhe samt Spikes und los geht’s zum Rinken, direkt hinein in eine Winterwunderwelt.

Denn dort ist er endlich da, der Schnee, ist zu sehen, zu hören und zu riechen. Die Sonne schiebt mit Hilfe des Windes eine Wolke über den Baldenweger Buck, der mit seinem Gipfel im Dunst einen auf Hochgebirge macht, seine mittelgebirgigen 1460 Metern weiß verhüllt.

Doch den Buck lassen wir links liegen, schlagen den Winterwanderweg Richtung Raimartihof ein. Vor dem Mund bilden sich Atemwölkchen, der Schnee knirscht trocken unter den Schuhen und am Wegesrand stehen große, weißgepuderte Tannenriesen Spalier. Der Blick fährt Schlitten über weiße Tannenspitzen hinweg. Bis er abrupt stoppt. Kann das sein? So sehr haben wir uns schon an das weiße Winterwunderland gewöhnt, dass die grünbraunen Waldflächen drüben in Breitnau seltsam fremd wirken, wie ein Blick in eine ferne Schneeloswelt.

Wir gehen weiter, die Freude am Weiß geht mit, auch bei den Kindern: Immer wieder kommen uns Familien entgegen, jagen sich kreischend durch den Wald oder sitzen teetrinkend auf einer Bank. Nach stramm gegangenen drei Kilometern taucht der Raimartihof auf, lockt mit schindelbedeckter Gastlichkeit. Wir widerstehen, wollen gleich weiter zum Feldsee – und pausieren doch, an der Viehkoppel. Dort grasen Gallowayrinder, trotzen mit ihrer Wuschligkeit dem Weiß am Boden und fressen friedlich schnaubend das Heu aus der Krippe.

Ein kurzes Wegstück weiter glitzert der Feldsee unter einer Eis- und Schneeschicht wie ein dunkler Rohdiamant, völlig erstarrt. Magische Ruhe strahlt er aus, die sich über uns legt und ehrfürchtig macht, uns staunen lässt vor einem solch starken Stück gefrorener Natur. Eingefasst ist der seeige Rohdiamant in eine steil aufsteigende Felsfassung. "Bannwald" sagt ein Schild dazu und ein anderes von der Bergwacht warnt, dass der Weg vereist sei.

Wer jetzt mit weniger winterfestem Schuhwerk, bei viel Schnee oder lawinengefährlichen Verhältnissen sowie mit Kindern unterwegs ist, tut gut daran, einfach den See zu umrunden und sich, vielleicht nach einer Einkehr, wieder auf den gebahnten Rückweg zum Rinken zu machen.

Doch wir wollen hoch, schnallen die künstlichen Krallen an und steigen auf, gehen mitten hinein in die winterliche Waldurigkeit. Wie angefroren hängen große Felsblöcke am Hang, kreuz und quer haben sich mächtige Baumstämme lang gemacht. Im Zickzack geht’s bergauf, über eisige Bachläufe und verschneite Steintreppen, der Diamantensee wird kleiner und kleiner.

"Nnzgnzgnzg", wummert uns der Seebuckzirkus entgegen und die Geräusche treffen schrill wie Flutlichtscheinwerfer in mondheller Nacht. Die Abendsonne schickt erste tieforange Strahlen, während wir am Rand der Piste den Seebuck besteigen, immer wieder einen Blick zurückwerfen auf das Alpenpanorama, das wie eine goldene Naturtapete am Horizont klebt.

Am Bismarckturm zeigt der Feldberg sein fieses Gesicht, begräbt uns unter einer Nebeldecke. Nur gut, dass das Stück bis zum Grüblesattel ein gewalzter Winterwanderweg ist. Von dort aus teilt sich der Nebel gnädig in einzelne Schwaden und gibt den Blick frei auf das Emil-Thoma-Weg-Schild. Der Weg vereinigt sich mit dem unpräparierten Skiwanderweg und bringt uns schließlich recht abenteuerlich erst über weite Felder, dann durch Wälder zurück auf den Ursprungsweg Richtung Rinken.

Spät ist’s geworden, vor lauter Guckmalhier und Guckmalda. Doch der Mond strahlt, wirft Bäume schwarz auf den Weg wie einen kunstvollen Scherenschnitt.

Wieder zurück fällt es schwer, das Schneeloch, jetzt sternenübersät, einzutauschen gegen die tristbraune Landschaft. Da hilft nur eins: wiederkommen, ins gefrorene Glück.
von Anita Fertl
am So, 26. Januar 2020 um 15:35 Uhr

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