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Wie die BRD ins Museum kommt

Ausflug ins Gestern

  • pk

  • Fr, 27. November 2009, 12:00 Uhr

Das "Haus der Geschichte" in Bonn zeigt seit 1994 tausende Exponate aus 60 Jahren Bundesrepublik und DDR. Adenauers Dienstwagen, Honeckers Schreibtisch oder der Berliner Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße machen Zeitgeschichte lebendig.

Fünf Stunden dauert ein ordentlicher Rundgang, die lässigen Teenies auf Klassenfahrt schaffen es in knapp einer Stunde. Für sie ist der Besuch ungefähr so aufregend wie eine Führung durch ein Museum für Urgeschichte – alles graue Vorzeit, blasse Geschichte. Die Generation 50 plus ist umso begeisterter. Ob Trümmerwüsten, die Karteikartenwüsten des Internationalen Suchdienstes, Prinz-Eisenherz-Heftchen oder der Polizei-Wasserwerfer aus den siebziger Jahren – wir waren doch dabei! Was, so lange ist das schon her? Fein säuberlich konserviert, inventarisiert und katalogisiert findet sich die eigene Geschichte wieder – hinter Glas und Vitrinen.

7000 bis 8000 Exponate zeigt das "Haus der Geschichte der Bundesrepublik" seit 1994 in seiner Dauerausstellung. Gesammelt wird viel, viel mehr: 450 000 Exponate liegen in Metallregalen und Glasschränken in den atombombensicheren Kellerräumen; ein Sammelsurium der Wunderlichkeiten aus 60 Jahren Bundesrepublik und DDR. Ein Kino der Fünfziger mit Filmproben jener Jahre, Originalreste des alten Bundestags, der Aufbruch in eine längst vergangene Fernsehzukunft, der "Schwarze Kanal" von Karl Eduard von Schnitzler und die ARD senden in einem kreischend orangefarbenen Rund um die Wette.

Oder der WM-Spickzettel von Fußball-Nationaltorwart Jens Lehmann, der beim Viertelfinale zwischen Deutschland und Argentinien für reichlich Aufregung gesorgt hatte. Vielleicht sollte man den Fetzen Papier extra bewachen. Der Energiekonzern EnBW hat den Elfer-Zettel bei einer Spendengala für eine Million Euro ersteigert. Die von Schadstoffen zerfressene gotische Fiale aus dem Freiburger Münster steht für die Umweltverschmutzung, die Flugblätter aus dem Wyhler Wald für die Anti-AKW-Bewegung.

Griffige Objekte, die Geschichte erzählen, das ist eine Bedingung für die Aufnahme ins Museumsdepot. Das Haus der Geschichte will Highlights. Attracting power, holding power, communication power – an diesen Auswahlkriterien, aufgestellt von amerikanischen Museumssoziologen, orientiert sich die Historiker-Crew. Ob Karikatur, Kühlschrank oder Kinderspielzeug – die Exponate sollen Besucher anziehen, sie fesseln und vor allem zur Auseinandersetzung mit historischen Themen anregen.

Es gibt legendäre Objekte wie Adenauers 300er-Staatskarosse, Honeckers Schreibtisch oder den Berliner Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße. Ein ganzes DDR-Warensortiment wurde ebenso eingelagert wie der Gehstock von Otto Graf Lambsdorff, das Gästebuch des Schlosshotels Herrenchiemsee, die Einrichtung des Derrick-Büros, die Schreibmaschine von Andreas Baader, Geruchskonserven der Stasi, ein Brautkleid aus Fallschirmseide oder Teile der Freiburger Newman-Baracke, in der von 1949 bis 1989 Flüchtlinge untergebracht wurden. In Freiburg haben wir sie nie wahrgenommen, aber jetzt im Museum, in Bonn.

Übersicht: Haus der Geschichte

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