Ausflugstipp

Panorama garantiert: Unterwegs auf dem Zauberberg Kandel

Der Kandel ist ein verzauberter Allrounder: Ob man tourenweise auf dem unbewaldeten Glatzkopf herumtanzt oder einen Familienspaziergang um den Gipfel dreht – Panorama satt ist immer Wegbegleiter.

Schon oft waren wir oben, als Pärchen, als Familie, zu allen Jahreszeiten und auch schon im Frühjahr. Doch dieser Frühling ist ein besonderer. Nicht etwa, weil er sattes Grün und die Zugvögel zurückbringt, das ist sein Job. Auch unser großer "Zugvogel", ausgeflogen für ein Jahr nach Australien, ist wieder gelandet, vorzeitig. Zurückgebracht hat ihn allerdings nicht der Frühling, sondern das böse C-Wort, das er und ich nicht mehr hören können.

Deshalb lassen wir es hinter uns, brechen zu zweit auf, um das unter die Füße zu nehmen, was der Sohn am meisten vermisst hat: die Berge, den Schwarzwald.

Bergflucht fürs Gemüt

Oben herrscht zum Glück nur mäßiger Betrieb, was wohl auch an der Entscheidung liegt, erst am späten Nachmittag loszugehen. Dennoch starten wir die Rundtour in die noch menschenleerere, dem Gipfel entgegengesetzte Richtung, zum Kohlplatz. Übers Hochmoor führt der Weg, taucht ein in einen urigen Wald.

Nadelriesen links und rechts, schön sei das, findet der Sohn. Was für Bäume es denn in Australien gebe, frage ich neugierig. Gumtrees, Eukalyptusbäume, entgegnet der Reisende. Hübsch zwar, mit weißem Stamm und buschig-grünen Baumkronen. Aber natürlich nix gegen Tannen. Einträchtiges Nicken, dann macht sich friedliche Stille breit, der verwurzelte Pfad fordert Aufmerksamkeit.

Spuren von Sabines Wut

"Wie sieht’s denn hier aus?", fragt der Sohn verdutzt. "Ach, das? Das war wahrscheinlich Sabine", sage ich etwas geistesabwesend. "Hä?!" Sein Blick ein einziges Fragezeichen, bis ich vom Orkantief erzähle, das hier im Februar mit Baumriesen Mikado spielte und noch heute immer wieder die Wanderer zwingt, über langgelegte Baumstämme zu klettern. Kurz nach dem Kohlplatz geht’s über die Straße und mitten hinein in ein wahres Zauberreich.

Ein bemooster Gneisbrockenteppich durchzieht wild und wuchtig den Wald. Darauf wächst frisch-saftiges Blattgrün, konkurriert mit dunklen Nadelbäumen und in der Luft liegt ein süßlich-harziger Duft. Dazwischen blitzt immer mal wieder Waldkirch hinter dem Blätter-Nadelvorhang hervor wie ein schüchtern-kesses Mädel.

Urklettergebiet Kandelfelsen

Schon bald bekommen die Augen an der Hangseite zu tun: Was sich erst nur erahnen lässt, nimmt mit jedem Schritt Gestalt an: Das Lichtgrau des großen Kandelfelsens strahlt aus dem dunklen Wald hervor wie das helle Gebiss eines Models für Zahnpastawerbung. Laut Wegweiser müssten wir geradeaus zur Thomashütte, doch der Schlenker hoch muss sein, finden wir.

Erzählstelen begleiten den Weg hinauf. Darauf zu lesen ist, dass der Kandelfelsen zu den Urklettergebieten des Dreiländerecks gehörte, mit einer der schwierigsten klettertechnischen Herausforderungen, der Teufelskanzel. Wie bitte, Teufelskanzel? Die Beine vergessen weiterzugehen, die Augen lesen sich fest: Ja, Teufelskanzel. Ein Bild zeigt eine schlangenkopfähnliche Felsformation, die bis 1981 auf dem Kandelfelsen thronte.

"Hex, hex!"

Nun wird’s sagenhaft: Wir entnehmen dem Schild, dass der Kandel als Blocksberg galt, auf dem Hexen ihre wilden Walpurgishexentreffen feierten. Genauer: auf dem massiven Steinblock auf der Spitze des Kandelfelsens, der Teufelskanzel. Bis er am 1. Mai 1981, kurz nach Mitternacht, einstürzte. Ein besonders wilder Hexentanz? Dafür spräche der Reisigbesen, den man unter den Trümmern fand. Oder eine Frostwechsel-Sprengung, die dem Gneisgestein zusetzte? Dafür sprächen die Eiszapfen, die es ebenfalls gab.

Welche Theorie die richtige ist, darüber lässt sich beim Hochschnaufen nachdenken.

Im Waldozean

Doch noch besser ist es, überhaupt nichts zu denken, sondern oben nur den wirklich zauberhaften Blick hinunter zu genießen, über den grünwelligen Waldozean hinweg nach Waldkirch. Das sei, sagt der Sohn, dann fast ein bisschen so wie das Meer – wenn auch nicht ganz so schön.

Zurück zum Ausgangspunkt geht’s durch den Wald: Erst folgt ein Abstecher zur Thomashütte, später über die Gipfelpyramide – beide Male mit gewaltigem Panorama. Ein letzter Blick zurück, ein tiefer Atemzug und schon sind wir auf dem Heimweg. Er freue sich aufs Essen, sagt der Sohn. Australien sei zwar schön, aber die hätten keine Essenskultur – ganz anders als im Schwarzwald eben.
Familientaugliche Kandeltour:

ca. 7 km, 280 Höhenmeter, zum Nachwandern auf Komoot

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von Anita Fertl
am So, 10. Mai 2020 um 07:00 Uhr

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