Tapisserien und Hassreden

Ausstellung in Gengenbach zeigt oberrheinische Passionsteppiche der Renaissance und den Versuch ihrer inhaltlichen Aktualisierung

Ausstellung im Museum Haus Löwenberg zeigt Passionsteppiche und aktualisiert das Leidensthema mittels zweier Installationen .

GENGENBACH. Die Gengenbacher Passionsteppiche zeigen einen vom hasserfüllten Mob drangsalierten Christus. Dieses Motiv übertragen zwei Installationen in die Gegenwart, die ab Samstag im Museum Haus Löwenberg zu sehen sind. "Spring doch" und "Schäm Dich" aktualisieren das Passionsthema, indem sie Spott und Verachtung im Internet und auf der Straße aufgreifen. Schwerpunkt der Ausstellung sind wie in den Vorjahren die wertvollen Passionstapisserien aus der späten Renaissance. Erstmals werden alle zehn in europäischen Sammlungen erhaltenen Exemplare vereint präsentiert.

Sechs Leihgaben, darunter ein zwei mal zwei Meter großer Tischteppich, komplettieren die fünf Gengenbacher Stücke. Im Metropolitan Museum of Art in New York befinden sich sieben weitere oberrheinischer Herkunft. Alle wurden um das Jahr 1600 herum in Werkstätten am Oberrhein gefertigt und stellen nicht nur die Passionsgeschichte dar. Weil auch Stationen der Lebensgeschichte Christi existieren, geht man nach derzeitigem Stand der Forschung von ursprünglich etwa 30 Exemplaren einer Serie aus.

Davon wurden offenbar zwei Serien aufgelegt, denn es gibt einzelne Motive in abgewandelter Ausführung doppelt.Die Auftraggeber müssen über viel Geld verfügt haben. Reinhard End, der künstlerische Leiter des Museums Haus Löwenberg, erläutert: "Tapisserien waren in der Herstellung sehr aufwendig, daher viel teurer als Gemälde. Oligarchen hätten damals in Tapisserien investiert, nicht in Gemälde!" Viel spreche für kirchliche Auftraggeber, denn solche Teppiche schmückten den Altarraum während der Passionszeit.

Erstmals die europäischen

Tapisserien vereint.

Am Herstellungsprozess waren nach den Worten Reinhard Ends zwei Berufe beteiligt, der Kartonist und der Wirker. Der Kartonist gestaltete die zeichnerische Vorlage, den Karton, der mehrfach verwendet wurde. Dabei bediente er sich bei den besten Vorbildern, die zu finden waren, zuvorderst der Star unter den deutschen Renaissancekünstler Albrecht Dürer, aber auch Martin Schongauer und Johannes Wechtlin. In der Ausstellung sind rund 30 Faksimiles der den Tapisserien zugrunde liegenden Kunstwerke zu sehen. Der Besucher kann einzelne Details sehr schön in den Teppichen wiederfinden, wie den Petrus, der dem Knecht Malchus im Getümmel das Ohr abhaut.

Die Kartons waren schwarz-weiß, denn die Farbwahl oblag dem Bildwirker. Dieser spannte seinen Rahmen direkt über der Vorlage und verwendete als Schussfäden für seine Wirkerei einen hohen Anteil Seide, aber auch Baumwolle. Interessant sind die Fäden, die einer Fackel oder dem Glorienschein Glanz verleihen. Sie bestehen aus mit Gold und Silber überzogenen Tierdärmen. Die Kettfäden liegen sehr eng, wodurch eine hohe bildliche Dichte möglich war. Viele Pixel, würde man heute sagen.

Barocke Hassgesichter und

aktuelle Internethassreden

Wie in den Vorjahren verbindet die Ausstellung das Thema mit aktuellen Zeitbezügen. Reinhard End selbst schuf dazu zwei Installationen. In "Schäm dich" springen einem hassverzerrte Fratzen von Pinnwänden entgegen. Es sind Ausdrucksstudien von der Hand des französischen Malers Charles Lebrun (1619 bis 1690). Nebenstehend sind Beispiele der Hassrede "gepostet". Herunterhängende Handspiegel verweisen den Betrachter auf sich selbst, scheinen zu fragen: Und du? Der Raum als Ganzes symbolisiert die Sphäre Internet. Durch die Fenster geht der Blick auf das vermeintlich heile Treiben auf dem Marktplatz.

"Spring doch" erinnert an das berüchtigte Milgram-Experiment. Wie dort haben Besucher die Wahl, einen Schalter zu drücken oder nicht. Ein Verzweifelter ist drauf und dran, sich vom Dach eines Hauses zu stürzen. Wie 2017 in Baden-Baden tatsächlich vorgefallen, fordern Gaffer ihn zum Vollzug auf – dem entspricht das Drücken der Taste – im widerlichen Verlangen nach obszön brutalen Fotos.

Museum Haus Löwenberg: "Passion in Seide & Gold", "Schäm dich! – Eifern und Geifern im Internet", "Spring doch! – Geifern und Gaffen auf der Straße". Ausstellungsdauer bis 17. Juni 2018. Hauptstraße 13, Gengenbach. Eröffnung der Ausstellung: am Samstag, 17. März, um 16 im Katholischen Gemeindehaus, Klosterstraße 20. http://www.museum-haus-loewenberg.de
von dkne
am Fr, 16. März 2018

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