Kunst

Baden-Badener Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts mit neuer Schau

Baden-Badener Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts mit neuer Schau.

Wer lässt sich denn da vor den Wagen spannen? Richtig: Friedrich Nietzsche, gleich neben ihm Freund Paul Rée. Und die Dame, die auf dem Wagen sitzt und die etwas improvisiert wirkende Peitsche schwingt? Lou Andreas-Salomé, Nietzsches Flamme. Es ist bekannt, dass der Philosoph die Szene selbst arrangiert hatte: als Sinnbild des Geschlechterverhältnisses – und des Geschlechterkriegs.

Nietzsche als Theaterregisseur und Schauspieler in einem: Was war da passiert? Die neue Ausstellung des Museums für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts in Baden-Baden wüsste Antwort. Denn das Foto ließe sich als schlagender Beleg für die zentrale These der Schau anführen. "Schein oder Sein. Der Bürger auf der Bühne des 19. Jahrhunderts": Der Titel der Ausstellung aus Anlass des zehnjährigen Museumsbestehens verweist auf eine Entwicklung, in deren Verlauf nicht nur bürgerliche Stadttheater die Hoftheater verdrängten.

Auch die neuen Stücke handelten vermehrt von der Welt des Bürgertums –wie das bei Deutschschülern berühmt-berüchtigte bürgerliche Trauerspiel. Und: Parallel zum Aufstieg des bürgerlichen Theaters vollzog sich eine Theatralisierung des bürgerlichen Alltags. Der Bürger, ein bisschen auch Nietzsche, wurde zum Schauspieler, zum Darsteller seiner selbst. Insgeheim trug er eine Maske. Und warf sich bei geselligen Anlässen – oder für eine repräsentative Fotografie – in Pose.

Die These der "Theatralisierung des bürgerlichen Lebens" untermauert die Schau mit einer Vielzahl von Exponaten. Ganz nebenbei schreibt sie die Archäologie heutiger Selbstdarstellerbühnen. Etwa des Displays unserer Smartphones, dieser Selfie-Maschine...

Termine: Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts, Lichtentaler Allee 8, Baden-Baden, 30. März bis 8. Sept., Di bis So 11–18 Uhr
von Hans-Dieter Fronz
am Fr, 29. März 2019

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