Intellektuell brillant, kompromisslos und entschieden gegen den Zeitgeist: Die Welt hat es nicht leicht mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche. Ein Portrait.
Einen Tadel, wenn auch einen sehr sanften, erspart Joseph Ratzinger seinem Chef ganz oben nicht. Hat er in der Sixtinischen Kapelle den Herrn doch inständig angefleht, der möge dafür sorgen, dass die Kollegen Kardinäle ihn nicht zum Papst wählen. Er zählt nicht zu den Ehrgeizlingen, die im Konklave ihr Purpurgewand nur allzu gern gegen das Weiß des Nachfolgers Petri tauschen würden. Dass die Kardinäle ihn dann doch – und als Zeichen ihrer hohen Wertschätzung sogar schon im vierten Wahlgang – zum Pontifex machen, ist für den 78-Jährigen ein Schock.
Seit 1730 ist keiner seines Alters mehr Papst geworden. Pilgern aus seiner bayerischen Heimat klagt er wenig später denn auch, weshalb dieser Kelch nicht an ihm vorüberging: "Der Herr hat mir wohl einfach nicht zugehört."
Er sei ein "einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn", ruft Ratzinger am Abend jenes 19. April 2005 als neuer Papst den Zehntausenden auf dem Petersplatz zu.
Ein fast groteskes Understatement – gehört er, verglichen mit seinen ...