Ausstellung

Das Écomusée d’Alsace zeigt, wie Menschen vor 1900 gelebt haben

Wie Menschen vor 1900 gelebt haben, zeigt das Écomusée d’Alsace in Ungersheim.

Wenn Oma von früher erzählt, sind die Enkel ganz Ohr. Und weil wir alle alte Geschichten so lieben, aber Oma schließlich auch mal Urlaub braucht, geht unser Familienausflug heute in das Écomusée ins elsässische Ungersheim: Dort, im großen, lebendigen Museum, können wir nicht nur zuhören, sondern auch zuschauen.

Entstanden ist das Museum 1984, auf private Initiative einer Handvoll Menschen, die – ebenfalls ohne die Omas überzustrapazieren – das verschwindende Bild einer Region festhalten wollten. Dazu bauten sie nach und nach alte Häuser, die andernorts abgerissen wurden und für immer verloren gewesen wären, Stein für Stein wieder auf.

Heute stehen 74 historische Fachwerkgebäude teils aus dem 14. bis 15. Jahrhundert im Museumsdorf und geben ein schnuckeliges Bild ab: in knalligem Blau, Gelb, Türkis oder Rotbraun mit bunten Fensterläden, viel Fachwerk und üppigen Geranien behangen, zeigen sich die alten, teils mit Stroh bedeckten Häuser. Auf jedem Dach sitzt ein großes Nest, in dem eine Storchenfamilie klappert. Im Stall hinterm Haus suhlen sich zur Freude der Kinder ein paar Schweine und eine Gans vertreibt fauchend Neugierige, die ihrem Nachwuchs zu nahe kommen.

Apropos Neugierde: Das Museumsdorf ist ein Paradies für Geschichtsvoyeure, denn ganz unbefangen können sich Besucher durch die Gassen und Häuser bewegen. Hinter jeder alten Tür wohnt eine andere Geschichte, eine, die das elsässische Leben im frühen 20. Jahrhundert schrieb. Trotzdem legen wir nur allmählich das schlechte Gewissen ab, dass sich schleichend mit jedem Drücken einer Türklinke einstellt. Mit knarzigem Laut schwingt die Tür auf und zeigt unterschiedliche Lebenswelten: Da sind das Schulhaus, die Mühle, die Boulangerie, das Waschhaus und die Bauernhöfe. In der alten Korbmacherscheune stehen mannshohe Korbflaschen ("hatten die früher solchen Durst?") und stapeln sich Körbe und Weidentruhen in allen Größen. Die Kinder erklettern einen steinernen Turm, der einst in die mittelalterlichen Stadtmauern von Muhlhouse integriert war und winken aus den schmalen Fenstern. Sie gehen auf Entdeckungsreise in ihrer Lieblingsgasse, dem Schulschwänzerpfad, während ein Pferdefuhrwerk Besucher durch das Dorf und durch die landwirtschaftlich genutzten Felder kutschiert – also alles pure Idylle?

Tür auf und wir treten ein in die Geschichte einer elsässischen Familie von 1914-1918. Die Stuben sind klein, die Gerätschaften in der Küche einfach, ein Flugblatt wirbt für Kriegskochkurse, damit die Hausfrauen sparsam kochen lernen.

"Klong! Klong! Klong!", dröhnt es hinter einer anderen Tür. Ein schwerer Hammer saust immer wieder auf den Amboss herab, auf ein Stück glühendes Eisen, das die Schmiedin in schweißtreibender Arbeit formt. Wir gucken noch anderen Handwerkern über die Schulter. Wie mühsam es ist, mit einem Dreschflegel das Getreide zu dreschen, können auch alle sehen, die der in Französisch gehaltenen Vorführung sprachlich nicht ganz folgen können.

Und so sind wir am Ende des Tages ganz froh, im Hier und Jetzt zu leben, wo wir nach dem Abendessen das Geschirr einfach in die Spülmaschine packen – Tür zu, die Arbeit machen andere.
von Anita Fertl
am Fr, 29. Juli 2016

Info

Écomusée D’Alsace

Wo: Chemin du Grosswald,
F-68190 Ungersheim

Wann: August-Oktober 10 -18 Uhr, am 6., 7., 13.-15., 20.-21. August bis 24 Uhr, ab Sept. montags Ruhetag

Wie viel: 15 Euro, Kinder (4-14 Jahre) 10 Euro, Familien 43 Euro, Erweiterungsticket für den Parc du Petit Prince ab 15 Uhr 10 Euro pro Person, Rückkehr vor 18 Uhr nötig

Was: Tägliche Animation und
wöchentliche Veranstaltungen,
beispielsweise jeden Sonntag
verrückte Küche mit elsässischen Rezepten oder bewohnte Häuser
mit Vorführungen der Hausherren

Infos: Tel. 0033/3 89/744465, http://www.ecomusee-alsace.fr/de  

Autor: anfe

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