Pop

Das Einar Stray Orchestra spielt im Waldsee

Das Einar Stray Orchestra spielt im Waldsee in Freiburg.

Der "World Happiness Report" kürte neulich die Norweger zum glücklichsten Volk der Welt. Der Musiker Einar Stray gehört wohl nicht dazu: Er ist ja Künstler und will der Welt den Spiegel vorhalten – und zwar mit dem aktuellen Album "Dear Bigotry", das sein Einar Stray Orchestra in Freiburg vorstellt.

Der Titelsong formuliert einen ewigen Widerspruch: Fanatismus und Ausgrenzung oder auch die Scheinheiligkeit sind zwar alte Feinde des Menschen, aber eben auch Teil seines Wesens. Aber "Lieber Fanatismus, jetzt sei endlich mal still" raunt der Mann, und alles klingt wie in einem Fluss: Die Streicher, das Klavier, die Drums schaukeln elegant und majestätisch wie eine alte Eisenbahn.

Anders dagegen das Epos "Glossolalia", das davon handelt, wie Sprache und damit die eigene Welt plötzlich unverständlich wird. Das Stück arbeitet mit Soundcollagen, die die inneren Kämpfe in Musik gießen, der Soundtrack zur multiplen Persönlichkeit. Und "Glossolalia" als Refrain klingt nun wirklich schön, auch wenn das Wort nicht allzu geläufig sein dürfte – das dramatischste Stück und die Mitte des neuen Albums.

Bei Einar Stray und seinem Orchester gibt es immer auch was zu lernen. Handelte "Politricks" (2014) quasi vom Menschen und seinen Gemeinwesen, sind es nun Wahrnehmung, Psyche, Kommunikation und Liebe. Nun ja, wohl eher die Reflexion darüber. Die Stücke sind im Wesentlichen kompakter geworden, was auch komplexere Arrangements bedeutet. Diese ineinander verschachtelten Figuren, Linien und Themen muss man erst einmal spielen können. Während der Chef ja seit Anfang an als Wunderkind galt, hängt der Sound trotzdem von seinen Mitstreitern ab. Klavier, selten eine Gitarre, Cello und Geige waren und sind die tragenden Instrumente in Einar Strays Musik, Schlagzeug und Bass sorgen für den Drive. Nur selten klingt es durchgängig nach Indie-Prog-Rock mit lautem Chor und Orgel wie in "As far as I’m concerned". Manche Passagen erinnern an Prefab Sprout aufgrund des Gesangs vom Bandleader und den Streicherinnen. Bei allem Pathos und bei aller Kunstfertigkeit – sinnfreie Virtuosität und angeberische Effekthascherei kommen nicht vor. Das muss man Einar Stray wirklich lassen. Gefahr erkannt und noch viel mehr: Im wundervollen "Synthesis", dem letzten Stück des Albums, werden hochkomplexe Momente von Minimal Music in rauschendes Sirren überführt. Auf zur nächsten Stufe.

Termin: Freiburg, Waldsee, Mo, 17. April,
20 Uhr
von Joachim Schneider
am Do, 13. April 2017

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