Feministische Kunst

Das Museum Würth in Erstein zeigt das Werk der Malerin Hélène de Beauvoir

Das Museum Würth in Erstein gewährte Besucherinnen am Weltfrauentag freien Eintritt.

ERSTEIN. Es geht um Hélène de Beauvoir (1910 bis 2001), nicht um Simone, die berühmtere der beiden Schwestern. Während Simone als Schriftstellerin und Philosophin in Paris an der Seite von Jean-Paul Sartre als Feministin die Welt veränderte, hat sich ihre jüngere Schwester, Hélène, ganz der Malerei verschrieben. Sie hat von 1963 bis zu ihrem Tod im elässischen Goxwiller am Fuß des Odilienbergs gelebt. Beide Schwestern haben für die Rechte der Frauen gestritten. Zum Weltfrauentag am 8. März hat das Museum Würth in Erstein zur Retrospektive "Hélène de Beauvoir. Künstlerin und engagierte Zeitgenossin" allen Frauen freien Eintritt gewährt, und eine Diskussion mit den Betreibern des SOS Femmes Solidarité in Straßburg moderiert. Das Frauenhaus wurde 1978 von Hélène de Beauvoir mitbegründet; sie war die erste Präsidentin des Trägervereins.

Die Situation der Frau im männlich dominierten Umfeld, hat Hélène de Beauvoir malerisch verarbeitet. So beginnt die Ausstellung mit einem beeindruckenden Triptychon, das die unterdrückte Frau darstellt "Die Frauen leiden, die Männer urteilen" heißen die drei je 130 mal 196 Zentimeter großen Tafeln in Öl auf Leinwand. Daneben hängt das Museum Bilder von Straßenszenen des Pariser Mai 1968, wo Kapitalismuskritik, die Friedensbewegung aber auch die Frauenbefreiung auf der Agenda standen.

Hélène de Beauvoir hat auf den Zeitgeist reagiert und sich auf ihren Reisen von Licht, Landschaft und Menschen beeinflussen lassen. Dies ist bei den farbintensiven Marokko-Bildern sichtbar, bei den Landschaften aus Portugal, wo sich die Malerin während des Zweiten Weltkriegs aufgehalten hat. Hélène de Beauvoir hat auch die elsässische Landschaft um den Odilienberg gemalt, ebenso Szenen in den winterlichen Bergen. Ihre "Skifahrer" bewegen sich in kubistisch aufgelösten Landschaften, ähnlich der Malweise Robert Delaunays, die als orphischer Kubismus in die Kunstgeschichte einging. Bei den Skifahrern handelt es sich nicht um rechteckige Farbflächen, sondern um Kreissegmente, die die Bildelemente dynamisieren.

Hélène de Beauvoir war Präsidentin des Frauenhauses

Mit ihren "Bûcherons", den Holzfällern, reagiert die Künstlerin auf den deutschen Expressionismus. Die Arbeiter im Wald und die frisch gefällten Bäume haben schwarze Konturen, starke Hell-Dunkel-Kontraste zeigen bizarre Waldlandschaften.

Die Motive sind nicht zuletzt Ansichten einer Frau, die sich als Malerin, die sich als Diplomatengattin und Beobachterin der Zeitläufte mit Politik und Gesellschaft auseinander gesetzt hat. Die Retrospektive zeigt die Entwicklung einer Malerin, deren Bilder zu ihrer Zeit in vielen Metropolen ausgestellt wurden. Ende der 1950er Jahre zeigte sie ihr Kunst in Berlin, Mailand, Florenz, Venedig und Paris. Dann ist sie mit ihrem Mann, Lionel de Roulet, der 1960 Mitglied des Europarats wurde, nach Goxheim, an den Fuß des Odilienbergs gezogen. Bis Ende der 1960er Jahre hat Hélène de Beauvoir in New York, Tokio, Brüssel, Lausanne, Rom, Amsterdam, Prag, Boston und Mexico ausgestellt. Dann erlahmte offenbar ihre Schaffenskraft im gemächlichen Leben der Provinz.

1986 starb ihre Schwester, 1990 ihr Mann und zwei Jahre später Jean-Paul Sartre. Hélène de Beauvoir ist 91-jährig 2001 in Goxheim gestorben.

"Es kommen viele Menschen, die sagen: Ich habe Hélène de Beauvoir gekannt", sagte die Museumsleiterin Marie-France Bertrand. Sie freue sich über den großen Anklang des Programms für den Frauentag. "Obwohl heute überall Veranstaltungen sind und wir hier im Industriegebiet nicht zentral gelegen sind, sind dennoch 90 Frauen gekommen", sagte Bertrand. Davon 30 Bürgermeisterinnen aus den Gemeinden der Region, die alle auch zur Podiumsdiskussion über die Situation des Straßburger Frauenhauses geblieben sind. Der dortige Verein SOS Femmes Solidarité ist einer von 65 in ganz Frankreich. "In Straßburg bieten wir drei Leistungen an", sagte die Vorsitzende. "Das Notruftelefon, 14 Appartements für Frauen und Kinder und ein Haus für ältere Frauen, die schwierige Lebenslinien und Kontakt mit Prostitution, Psychiatrie und Gewalt hatten."

Museum Würth, Erstein: Hélène de Beauvoir. Künstlerin und engagierte Zeitgenossin. Bis 9. September 2018. Zi ouest – rue Georges Besse, Erstein. Geöffnet Dienstag bis Samstag, 10 bis 17 Uhr, Sonntag 10 bis 18 Uhr. Eintritt 6 Euro, ermäßigt 4 Euro, Mitglied Museumspass. Freier Eintritt jeden Samstag. Weitere Infos im Internet: http://www.musee-wurth.fr
von Eri Sieberts
am Mo, 12. März 2018

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