Bühne

Das Projekt "Schlachten!" am Theater Freiburg

TICKET-INTERVIEW mit Christoph Frick über seine Inszenierung von "Schlachten!".

In seinen Historiendramen greift William Shakespeare die Rosenkriege auf, die zwischen 1455 und 1485 zwischen den beiden Adelshäusern York und Lancaster tobten. Tom Lanoyes und Luk Percevals Schauspiel "Schlachten!" beruht auf diesen acht Dramen Shakespeares. Die Inszenierung von Christoph Frick ist am Theater Freiburg nun in einer Langversion und in zwei Teilen zu sehen. Annette Hoffmann sprach mit ihm.

Ticket: Herr Frick, Ihre Inszenierung von "Schlachten!" wird um die sechs Stunden dauern. Wie lange brauchen Sie, um den Inhalt zusammenzufassen?
Frick: (lacht) Die kürzeste Version lautet: "Schlachten!" ist eine Abfolge von Königshäusern, in der jeder auf den Moment wartet, den Vorgänger auszuschalten. Doch das ist nur der grobe Mechanismus. Wir haben es mit sechs Stücken zu tun, die für die unterschiedlichen Königshäuser stehen. Man kommt unwillkürlich ins Vergleichen, wie tickt dieser König, wie wird jener entmachtet? In dem Moment, in dem jemand König wird, steht der Moment des Falls schon im Raum. Sie finden die unterschiedlichsten Formen von Machtausübung und Pervertierung von Macht.
Ticket: Als Shakespeare anfing, seine Historiendramen über die Rosenkriege zu schreiben, stand zu befürchten, dass angesichts der ungeklärten Nachfolge von Elisabeth I. ein Bürgerkrieg ausbrechen könnte. Was ist die Folie von "Schlachten!"?
Frick: In den Historiendramen zerbricht jede Form von Mitmenschlichkeit, Solidarität und Kultur. Wir wissen heute wieder, wie Gewalt eskalieren kann. In Shakespeares Dramen herrscht oft eine Gnadenlosigkeit, von der wir dachten, sie sei Tausende Kilometer von Europa entfernt. Wenn in Nizza jemand mit einem Lkw über die Uferpromenade rast, hat das etwas von den Figuren Shakespeares. Da wird etwas verhandelt, vor dem wir Angst haben und von dem wir nicht wissen, wie wir damit umgehen sollen. Weil uns diese Königshäuser zeitlich entrückt sind, können wir uns darin wiedererkennen. Die Bühne bewirkt, dass man zuschauen kann und sich selbst und die eigene Zeit und ihr Gewaltpotential hinein projizieren kann.
Ticket: Sie haben die Kompilation von Tom Lanoye und Luk Perceval noch einmal gekürzt. Tritt dadurch die Struktur des Stückes deutlicher hervor?
Frick: Wir haben es mit sechs Stücken zu tun, die wie eine Serie funktionieren. Es gibt die Politik, es gibt die Menschen, die Geschlechter- und Generationskonflikte ausfechten. Wir hätten die Stücke anders montieren können. Shakespeare hat die Historiendramen nicht in chronologischer Abfolge geschrieben. "Heinrich VI." ist das älteste, "Richard II." das jüngste Stück. Lanoye und Perceval haben die Abfolge akzentuiert. Wenn man die Rosenkriege in ihrer Abfolge spielt, bekommt das etwas von einer Kettenreaktion. Jedes Stück ist in die Welt gekommen, weil es das vorherige gibt. Der Glanz des Empires verlöscht, am Ende haben wir es mit mafiösen Gangs zu tun. Wir erleben eine Verfallserscheinung...
Ticket: ... die sich auch sprachlich ausdrückt?
Frick: Ab dem fünften Stück sprechen die Gangs in einer Mischung aus Westcoastslang und Deutsch. Das ist musikalisch, humorvoll und gespickt mit Songs aus der Popgeschichte.
Ticket: Shakespeare studierte Geschichtswerke, um die Historiendramen schreiben zu können. Gibt es auch heute ein solches Interesse an der Geschichte?
Frick: In meinen Inszenierungen habe ich bislang versucht, so nah wie möglich an das tagesaktuelle politische Geschehen zu kommen, auch mit dokumentarischen Mitteln. Jetzt spüre ich das Bedürfnis, aus der Distanz auf die menschliche Disposition zu schauen. Bei Shakespeare ist der Mensch ein Mängelwesen. Selbst die Könige wissen, sie können diese Mängel ausgleichen, solange sie König sind. Wehe, sie verlieren diese Position: Dann sind sie ein Nichts. Das führt zu unglaublichen Fallhöhen.

Termine: Freiburg, Theater, Kl. Haus, Premiere: Fr, 30. Sept., 18 Uhr. Weitere Aufführungen: 2., 8., 21., 29. und 30. Okt. (1.+2. Teil). 1. Teil: 4., 5., 15., 26. Okt. 2. Teil: 11., 12., 16. und 27. Okt.
von ah
am Fr, 30. September 2016

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