Theater

Der Choreograph Graham Smith über "Mates & Monsters"

TICKET-INTERVIEW: Der Choreograph Graham Smith über "Mates & Monsters".

Vor zwei Jahren beeindruckten die SoLD Sprossen, die Neun- bis 13-Jährigen aus Graham Smiths School of Life and Dance, in Kooperation mit den Künstlern Gisèle Vienne, Etienne Bideau-Rey und Anne Mousselet mit "Showroomdummies". In der Reihe "Depot Erbe" des Theaters Freiburg greifen die Kids ihr Spiel auf und entwickeln es zu "Mates & Monsters" weiter. Jürgen Reuß sprach mit dem Choreographen.

Ticket: Herr Smith, heute ist Ihr erster Probentag. Wie läuft’s?
Smith: Super. Die Kids kommen frisch vom Shoppen in die Probe reingerannt, haben das mit der besten Freundin neu gekaufte Partner-T-Shirt an und sind gleichzeitig, ohne groß drüber nachzudenken, voll in genau der Bilderwelt drin, um die es in unserem Stück geht.
Ticket: Eine Bilderwelt, in der laut Ankündigung für Kinder "Körperbilder propagiert werden, die nicht zwangsläufig ihre eigenen sind".
Smith: Das ist die Generation, die gerade geprägt wird zu jungen Erwachsenen. Wir machen das greifbar, indem wir auf der Kippe zwischen Kinder- und Puppenwelt wandeln. Gerade noch sind die Kinder Kinder, dann sind sie plötzlich wie ferngesteuert aus einer anderen Welt. Beim ersten Anlauf hat das einige Zuschauer verstört.
Ticket: Wie das?
Smith: Erwachsene sehen ganz andere Dinge als Kinder. Die Zuschauer haben aus ihren vorgefassten Deutungen von Körperhaltungen heraus krasseste Geschichten in das Gesehene hineininterpretiert, die für die Kinder gar nicht relevant waren. Zur simplen Regieanweisung, Puppenstellungen mit Kreide zu markieren, läuft im Kopfkino der Erwachsenen gleich Leiche und Gewaltverbrechen.
Ticket: Spielen Sie bewusst mit dieser Wirkung?
Smith: Der Körper ist ein Speichermedium. Es wird gefüllt durch den eigenen Leib und die eigene Erfahrung. Aber man erbt auch körperliche Eigenschaften und Körperbilder von den Eltern. Klar, die Kids hinterfragen diese erwachsenen Körperbilder. Aber in der choreographischen Arbeit halten wir uns mit interpretatorischen Anweisungen sehr zurück. Wir beschränken uns auf Technisches: Wie bewegt sich eine Puppe, wie ein Kind, wie macht man die Übergänge? Zugegeben: Da Puppen eine wichtige Rolle spielen, ist alles gefärbt durch ein Moment der Kontrolle: Wie forme ich eine Puppe, wie trage ich sie?
BZ: Und schon beginnt bei den Zuschauern...
Smith: ... das Kopfkino. Genau. Aber noch mal: Bei den Proben reden wir nicht über Körperbilder. Wir machen es konkret: Hebe ich Emma auf wie einen Sack Kartoffeln oder wie eine Feder?
Ticket: Und die Kids können schon beides?
Smith: Angesichts unserer sehr kurzen Probenzeit bin ich immer wieder beeindruckt, wie präzise die Kinder in ihren Bewegungsabläufen sind. Es ist schön zu sehen, wie sie in die artifizielle Theaterwelt hinein- und wieder in ihre durchlässige eigene Welt hinausschlüpfen. Diese Durchlässigkeit ist das, was mich an der Arbeit mit Laien am meisten begeistert. Wenn man die erhält, entsteht kein falscher Ehrgeiz. Das ist die Qualität unserer Arbeit: hoher künstlerischer Anspruch, aber kein falscher Ehrgeiz.
BZ: Und welchen Anspruch hat der richtige Ehrgeiz?
Smith: Im Gegensatz zum normalen überbordenden Bewegungsdrang von Kindern ist unser Tempo langsam und präzise. Das ist so anstrengend, dass sogar ich mich freue, wenn die Szene ihnen erlaubt wieder rumzuhopsen, wie sie das gewöhnlich tun. Das Ende ist so authentisch, dass mir jedesmal die Tränen kommen. Übrigens ist das Stück nicht nur von, sondern auch für Kids. Die eigenen unbedingt mitbringen.

Termine: Freiburg, Kleines Haus, Premiere: Sa, 22. April, 19 Uhr. Und: 23. April, 18 Uhr, 25. April, 19 Uhr. Ab 8 Jahren
von jre
am Fr, 21. April 2017

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