Bz-Tipp: Ausstellung

Der Duft ausgestorbener Pflanzen

Die Gallery des Weiler Vitra Design Museums stellt die britische Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg vor.

Mensch und Natur: Das ist seit Jahrtausenden ein Spannungsverhältnis. Erlebten frühe Kulturen Natur vor allem als existenzielle Bedrohung, der sie das Überleben abbringen mussten, hat sich das in der Moderne radikal umgekehrt: Seit dem 20. Jahrhundert ist es der menschliche Raubbau an der Natur, der zur existenziellen Bedrohung für beide Seiten geworden ist. Mittlerweile eröffnen neue Ansätze – von der Gentechnologie bis zur Künstlichen Intelligenz – weitere Dimensionen, schaffen die Option einer im wahrsten Sinn künstlichen Natur: gewissermaßen eine kopernikanische Wende im Verhältnis von Mensch und Natur.

Wie also verhalten sich diese im 21. Jahrhundert zueinander? Die britische Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg sucht Antworten auf diese Frage, und zwar aus dem Blickwinkel der Fortschritte in Design und Technologie. Die Gallery des Vitra Design Museums in Weil am Rhein zeigt in einer von Viviane Stappmanns kuratierten Einzelausstellung unter dem Titel "Better Nature" nun eine Auswahl der darüber entstandenen, so suggestiven wie bedrohlichen und zugleich poetischen Arbeiten.

Die 1982 geborene, ausgebildete Architektin und Interaktionsdesignerin, die schon 2011 vom World Technology Network den "World Technology Award" für Design erhalten hat, interessiert sich besonders für die "Synthetische Biologie", einen jungen Wissenschaftszweig, der sich mit dem Design lebender Materie beschäftigt. Wie aber sind die Rollen in diesen Laboren verteilt? Wie wird Natur unter diesen Vorzeichen gestaltet? Wie ist Design definiert? Diesen Fragen ist die promovierte, also wissenschaftlich qualifizierte, Künstlerin die vergangenen zehn Jahre in der Zusammenarbeit mit Vertretern der "Synthetischen Biologie" nachgegangen.

Das Ergebnis sind Ideen und Überlegungen zu einer Realität, die mittels "Synthetischer Biologie" erzeugt werden könnte. Die Ausstellung präsentiert sechs Arbeiten Ginsbergs. In "Growth Assembly", das 2009 in Zusammenarbeit mit dem Künstler Sascha Pohflepp entstand, präsentiert die Künstlerin zum Beispiel eine Zukunft, in der Pflanzen gentechnisch verändert werden, um Konsumgüter oder Werkzeuge herzustellen. In dem ebenfalls 2009 entstandenen "The Synthetic Kingdom" erzeugen Bakterien biologisch abbaubares Plastik. "Designing for the Sixth Extinction", das zwischen 2013 und ’15 entstand, beschreibt eine neue Biodiversität, in der künstliche, eigens gezüchtete "Begleitspezies" gefährdete Tiere und Pflanzen unterstützen.

Zwei aktuelle Projekte stehen zudem für eine neue Phase in Ginsbergs künstlerischer Entwicklung. Eines davon, "Resurrecting the Sublime", eine Zusammenarbeit mit Christina Agapakis vom Biotechnologieunternehmen Ginkgo Bioworks und der Geruchsforscherin und Künstlerin Sissel Tolaas, ermöglicht es, eine ausgestorbene Blume zu riechen, deren Duft mit Hilfe von DNA-Proben aus dem Pflanzenarchiv der Harvard University rekonstruiert wurde.

Ausstellung 20. Juli - 24. November, tägl. 10 bis 18 Uhr, Vitra Design Museum Gallery, Weil am Rhein.
Vernissage und Eröffnungstalk mit Alexandra Daisy Ginsberg, 19. Juli, 18 Uhr, Vitra Design Museum Gallery (in Englisch)
von alb/Foto: Alexandra Ginsberg
am Mi, 17. Juli 2019

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