Theater

Die Freiburger Immoralisten versetzen "Jedermann" ins moderne Rapper-Milieu

Die Freiburger Immoralisten versetzen "Jedermann" ins moderne Rapper-Milieu.

"Die deutschen Hausmärchen haben keinen Verfasser", schrieb Hugo von Hofmannsthal in seinem Vorwort zu "Jedermann – Das Spiel vom Sterben des Reichen Mannes". Sie würden von Mund zu Mund weitergegeben, bis jemand sie aufschreibe. Sie seien allgemeingültig und gehörten "allen Zeiten". Die Freiburger Immoralisten holen dieses Märchen nun auf ihre Bühne unter den freien Himmel, in unsere Zeit.

Der Tod holt Jedermann bei einer Party. Er kommt unerwartet, Jedermann war noch nicht alt und lebte wie ein reicher Protz. Im Angesicht des Todes wird ihm bewusst, wie wenig Gutes er in seinem Leben getan hat. Er erbittet sich eine Stunde Lebenszeit, die ihm der Tod gewährt. Doch weder seine Freundin, die Buhlschaft, noch sein Geselle oder sein Geld, der Mammon, wollen ihn vor das jüngste Gericht Gottes begleiten. Erst der personifizierte Glaube weist Jedermann auf die unendliche Liebe Gottes hin und rät ihm, um Vergebung zu bitten. Jedermann folgt dem Rat und tritt vollkommen geläutert vor das Gericht Gottes.

Ein Theaterstück mit einer starken christlich-katholischen Botschaft bei den Immoralisten? Das scheine auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnlich, stimmt Manuel Kreitmeier zu, unter dessen Regie die Produktion entstanden ist. Die Botschaft, die eigenen Taten im Leben zu hinterfragen, sei eine grundsätzliche. Dennoch: "Ich habe lange mit dieser totalen Kehrtwende und dem sehr christlichen Schluss gerungen", sagt er. Am Ende habe er ihn etwas umgewandelt, noch immer christlich, aber moderner interpretiert. Dass das geschehen könnte, dessen war sich schon Hofmannsthal bewusst, schrieb er doch auch, vielleicht würde das zeitlose Märchen von einem "Zugehörigen einer künftigen Zeit" noch einmal geschrieben.

Ansonsten zeigt sich Kreitmeier von Hofmannsthals Version vom sterbenden reichen Menschen begeistert. Besonders der erste Teil zeige die größte Stärke des Stücks: seine extreme Kritik am Kapitalismus. "Hofmannsthal zeigt, wie das Konsumdenken unsere Psyche deformiert", sagt Kreitmeier. Und das auf überraschend moderne Weise. Hofmannsthal sei vorgeworfen worden, dass er das klassische Volkstheater bediene. Letztendlich steckten aber ganz viele moderne Themen in dem Gewand des spätmittelalterlichen Mysterienspiels.

Kreitmeier setzt sie vor die Fassade eines modernen Beton-Hauses und Jedermann in die Gangster-HipHop-Szene, in der glänzende Goldketten, fette Autos und schöne Frauen Ziel allen Strebens und lebensdefinierend sind; die Negierung von Endlichkeit. Jedermann hätte problemlos auch in andere Gesellschaftsmilieus gesteckt werden können, sagt Kreitmeier, aber die Rapperszene gebe visuell viel her und unterstreiche das "extrem Parabelhafte" des Stücks.

Bei den Texten hält Kreitmeier sich ans Original. "Ich habe selten mit einem so guten Text gearbeitet." Hofmannsthal sei ein Theatermacher gewesen, der wusste, wie das Medium funktioniert. Das könne man nur über sehr wenige Bühnenautoren sagen. "Der Text ist süffig und bombig zu inszenieren", sagt Kreitmeier.

Das Stück habe insgesamt alles, was ein Open-Air-Theater brauche, nicht ohne Grund wird es jedes Jahr bei den Salzburger Festspielen vor dem Dom aufgeführt. "Es ist scharf, witzig, mit vielen guten Dialogen und hat gleichzeitig etwas Nachdenkliches", sagt Kreitmeier. Genau das, worauf die Besucher an einem lauen Sommerabend Lust hätten. Er ist sicher: "Wir können mit diesem Stück wirklich überraschen."

Termine: Freiburg, Theater der Immoralisten, Premiere: Do, 18. Juli, 20.30 Uhr. Weitere Aufführungen bis 7. Sept. BZ-Kartenservice Tel. 0761/4968888 sowie unter bz-ticket.de
von Hannah Fedricks Zelaya
am Fr, 12. Juli 2019

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