"Die Story ist sehr glaubhaft"

TICKET-INTERVIEW: Der Regisseur Joe Wright über sein actiongeladenes Kostümspektakel "Pan".

Seinen ersten Erfolg feierte Joe Wright (43) vor zehn Jahren mit der Jane-Austen-Verfilmung "Stolz & Vorurteil". Dem Historienfilm blieb der Brite auch mit "Abbitte" und "Anna Karenina" treu. Nun erzählt Wright mit "Pan" die Geschichte vom Jungen, der nicht erwachsen werden will – als actiongeladenes Kostümspektakel mit bösen Piraten und fliegenden Schiffen. Markus Tschiedert traf den Regisseur in London.

Ticket: Was ist so anziehend an J. M. Barries Kinderklassiker, dass ihn Regisseure immer wieder verfilmen wollen?
Wright: Ich denke, es ist die eigenartige Stimmung, die dieses Buch erzeugt, die ich fast als surreal bezeichnen würde. Was nicht verwundert, denn es wurde zu einer Zeit geschrieben, als Sigmund Freud in aller Munde war. Barries Figuren sind weder eindeutig gut noch schlecht. Kinder beschreibt er als herzlos, was nach meiner Erfahrung absolut korrekt ist, aber was keiner wirklich zu sagen wagt. Psychologisch und emotional gesehen ist Barrie sehr ehrlich in seinem Buch, weshalb sich die Story trotz der Fantasy-Welt, in der sie angesiedelt ist, sehr glaubhaft anfühlt.
Ticket: Wobei Sie sich diesmal etliche Freiheiten erlauben und Peter Pan, Hook und Tiger Lily in ein ganz anderes Verhältnis setzen...
Wright: Die Idee mit Hook ist sicherlich die größte Veränderung zum Original. Wir lernen ihn ganz anders kennen, seine allseits bekannte Schurkenrolle wird von einem gewissen Blackbeard eingenommen. Hook arbeitet in Blackbeards Mine, aus der er fliehen will, weshalb er sich mit Peter anfreundet. Aber aus selbstsüchtigen Gründen. Was Hook dann selbst zum Schurken macht, ist noch nicht geschehen. Blackbeard taucht übrigens auch im Buch auf und wird als der fürchterlichste Pirat beschrieben, der sich Hook einst angenommen hat.
Ticket: Im Internet wurde Ihnen vorgeworfen, dass Sie die im Buch als dunkelhäutig beschriebene Tiger Lily mit einer weißen Schauspielerin besetzt haben. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?
Wright: Barrie hat keine spezifische Aussage bezüglich ihrer Herkunft und ihrer Nationalität gemacht. Er hat das sehr offen gelassen, und erst in späteren Interpretationen wie im Disney-Film wurde ihre Abstammung genauer bestimmt. Aber wir wollten keine Fortsetzung des Disney-Films drehen, weshalb ich mir bei der Besetzung von Tiger Lily jegliche Freiheit ließ. Ich traf mich mit Schauspielerinnen aus der ganzen Welt von Afrika über China bis hin nach Skandinavien. Die Wahl fiel auf Rooney Mara, weil sie allen charakteristischen Merkmalen der Rolle am besten entsprach.
Ticket: Mit welcher Figur in "Pan" fühlen Sie sich besonders verbunden?
Wright: Gewiss ist es Peter, mit dem ich mich am meisten identifizieren kann. Nicht aus heutiger Sicht gesehen, sondern wenn ich an meine Kindheit zurückdenke. Peter ist mutig, er hat eine große Vorstellungskraft, die oft über die Realität hinausgeht, der er entfliehen möchte. Er fühlt sich wie ein Außenseiter, und er kann weder schreiben noch lesen. Da ich als Kind selbst Legastheniker war, konnte ich mich damit besonders identifizieren.
Ticket: Wie haben Sie Ihre Legasthenie besiegt?
Wright: Sehr langsam und durch meine Liebe zum Film. Da ich nicht lesen konnte, sah ich mir viele Filme an, um aus ihnen zu lernen. Es wurde die Sprache, in der ich dachte. Ich bin immer noch nicht gut mit Worten, aber in der Filmsprache kann ich mich umso besser ausdrücken.
Ticket: Sicherlich haben Sie auch schon mal vom Peter-Pan-Syndrom gehört. Sind Sie womöglich auch ein Mann, der nicht erwachsen werden will?
Wright: Wahrscheinlich leidet zumindest jeder Filmregisseur und Schauspieler darunter. Aber es ist eher die Sehnsucht, nicht alt zu werden. Ich weiß, dass man gern Peter Pan dafür heranholt, aber in unserem Film kommt diese Thematik nicht vor, zumindest jetzt nicht. Hier geht es mehr darum, dass er das Fliegen lernt.
Ticket: Klingt, als wäre schon eine Fortsetzung geplant?
Wright: Das kann ich noch nicht sagen und ist sicherlich von einem weiteren Drehbuch abhängig. Aber ich wäre dann gern wieder dabei.
von tsc
am Mi, 07. Oktober 2015

PAN

Regie: Joe Wright
Mit Hugh Jackman, Levi Miller,
Rooney Mara, Amanda Seyfried, Garrett Hedlund und anderen
111 Minuten. Ab 6.
Die Story
Der 12-jährige Waisenjunge Peter (Levi Miller) findet einen Brief seiner Mutter, die ihm verspricht, dass sie sich irgendwann wiedersehen werden – hier oder in einer anderen Welt. Kurz darauf wird Peter entführt und findet sich in einer magischen Welt wieder. Hier in Nimmerland trifft er auf Tiger Lily (Rooney Mara), Hook (Garrett Hedlund), aber auch auf den schurkischen Piratenkapitän Blackbeard (Hugh Jackman).  

Autor: bz

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