Ticket-Interview

Dieter Hallervorden über "Ostfriesisch für Anfänger", Flüchtlinge und Otto Waalkes

TICKET-INTERVIEW: Dieter Hallervorden über Politiker als Satiriker, Flüchtlinge und Otto Waalkes.

In diesem Alter nochmal ein Leinwandstar werden, das muss ihm erst mal jemand nachmachen! Mit den "Didi"-Filmen hatte der 1935 in Dessau geborene Satiriker und Schauspieler Dieter Hallervorden bereits in den 1980ern ein Millionenpublikum. 1992 zog er sich vom Kino zurück, 2013 begann das triumphale Comeback: Für "Sein letztes Rennen" bekam er den Deutschen Filmpreis, "Honig im Kopf" begeisterte sieben Millionen deutsche Kinozuschauer. In "Ostfriesisch für Anfänger" spielt Hallervorden wieder einen kauzigen Alten, der es faustdick hinter den Ohren hat. Markus Tschiedert sprach mit ihm.

Ticket: Für Ihren neuen Film mussten Sie Ostfriesisch lernen...
Dieter Hallervorden: Das Drehbuch war so geschrieben, dass ich manchmal platt und dann wieder fließendes Hochdeutsch sprechen sollte. Also nahm ich mir einen Coach und habe es in neun Tagen gelernt. Ich habe auch die Maske bestimmt, so wie ich ihn spielen wollte, und glücklicherweise ist das von dem Regisseur und den Produzenten auch so akzeptiert worden.
Ticket: Wie ist man denn auf Sie gekommen? Man hätte ja auch einen echten Ostfriesen wie beispielsweise Otto Waalkes nehmen können...
Hallervorden: Ich schätze sehr, was Otto Waalkes so alles gemacht hat, aber ich glaube, dass er in seinen Möglichkeiten in diesem Segment limitierter ist. Und dass man mir die Tiefe von Gefühlen mehr abnimmt als ihm, der seinem Image in die eine Richtung immer treu geblieben ist. Wenn man am Grab anfängt zu weinen, würde das bei Otto wahrscheinlich automatisch zum Lacher führen – und das darf es in diesem Fall nicht. Wahrscheinlich ist man deshalb auf mich gekommen. Jetzt sagen Sie nicht, Sie haben an der Stelle im Film gelacht, sonst habe ich’s vergeigt (lacht).
Ticket: Was hat Sie an "Ostfriesisch für Anfänger" zuerst interessiert ?
Hallervorden: Die Thematik! Ich bin begeistert davon, dass Deutschland der Welt ein anderes Bild bietet und versucht, Flüchtlingen eine Perspektive zu geben, während andere versuchen, Mauern zu bauen. Die EU hat 2012 den Friedensnobelpreis bekommen. Wie passt das denn zusammen?
Ticket: Es gibt aber auch hierzulande heftige Stimmungsschwankungen zum Thema Flüchtlinge...
Hallervorden: Politische Meinungen sind ja dem ständigen Wandel unterworfen, und ich glaube, die CDU wird bei der nächsten Bundestagswahl gewaltig verlieren, gerade an die AfD. Trotzdem denke ich, dass Frau Merkel wegen ihrer menschlichen Politik in die Geschichtsbücher eingehen wird. Ich bin gewiss nicht immer einer Meinung mit der Kanzlerin, aber sie hat in dieser Angelegenheit Dinge getan, die sie vom Herzen her fest vertreten hat.
Ticket: In diesem Sommer brachen Sie auch eine Lanze für Jan Böhmermann, der wegen seines Erdogan-Schmähgedichts quasi eine Staatsaffäre auslöste. Warum?
Hallervorden: Weil da plötzlich jemand ganz alleine stand und so angefeindet wurde, dass ich ihm zur Seite sprang. Alle Satiriker hätten das eigentlich machen müssen. Aber ich muss dazu sagen, dass man als Satiriker immer die besseren Chancen hat, wenn man Kritikpunkte scharf aufs Korn nimmt, aber Beleidigungen vermeidet.
Ticket: Wo fängt Beleidigung an?
Hallervorden: Wenn ich beispielsweise am Katholizismus etwas kritisieren will, muss ich doch nicht den Papst auf dem Klosett zeigen. Das ist eine Geschmacksfrage. Meine Kritik muss satirisch immer ein gewisses Niveau bewegen, und ich muss mich vorher so gut informieren, dass ich die Pointe nicht um der Pointe willen mache, sondern das die Sache auch inhaltlich stimmt.
Ticket: Vergeht Ihnen manchmal auch das Lachen, wenn Sie heutzutage Nachrichten mitbekommen?
Hallervorden: Absolut! Als Satiriker fragt man sich, wie soll man das toppen. Da sagt ein Donald Trump: "Belgien ist eine schöne Stadt" oder "Meine Finger sind lang und schön wie andere Teile meines Körpers". Wie soll man da als Kabarettist und Satiriker noch drüber kommen?
Ticket: Wenn Politiker ihre eigenen Satiriker werden, ist vielleicht die Zeit gekommen, dass Satiriker in die Politik einsteigen...
Hallervorden: Ich glaube, es ist leicht zu kritisieren, aber sehr schwer, es besser machen zu können. Also, da würde ich mich tunlichst zurückhalten.













von tsc
am Fr, 28. Oktober 2016

Info

oSTFRIESISCH FÜR ANFÄNGER

Regie: Gregory Kirchhoff
Mit Dieter Hallervorden, Holger Stockhaus, Janina Elkin u. a.
91 Min., ohne Altersbeschränkung

Die Story
Weil Uwe Hinrichs (Hallervorden) pleite ist, stimmt er zu, Migranten Sprachunterricht zu erteilen. Allerdings bringt er ihnen nicht Hochdeutsch bei, sondern Ostfriesisch – und stellt die kleine norddeutsche Gemeinde fast auf den Kopf...  

Autor: bz

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