"Du weißt, das ist meine Rolle"

TICKET-INTERVIEW: Die Schauspielerin Jessica Chastain über Glücksspiel und ihre Rolle in "Molly’s Game".

Sie gehört zu den smartesten Hollywoodstars, das verdeutlicht schon ihre Filmauswahl. Jessica Chastain (40) gibt gesellschaftskritischen oder politisch brisanten Themen meist den Vorrang. Zuletzt brillierte sie in "Die Erfindung der Wahrheit" über das Geschäft von Lobbyisten. "Molly’s Game" basiert auf der wahren Geschichte einer 1978 geborenen Frau, die in die dunkle Welt der Pokerspiele gerät. Markus Tschiedert traf die Kalifornierin zum Interview.

Ticket: Sind Sie eine gute Pokerspielerin?
Chastain: Da bin ich ganz schrecklich drin, zum Glück musste ich mich für die Rolle auch nicht mit Pokern auskennen, denn Molly Bloom, die ich hier spiele, hat nie selbst an einer Pokerrunde teilgenommen.
Ticket: Können Sie die Faszination für dieses Kartenspiel dennoch nachvollziehen?
Chastain: Als Kind habe ich mal gepokert, meine Mutter hat es mir beigebracht. Wir spielten dann um Süßigkeiten, die von Halloween übrig waren. Allerdings ist Pokern nicht wirklich mein Ding. Ich mag diese Idee nicht, immer so zu tun als ob und andere belügen zu müssen. Ich bin sehr schlecht darin, ein Pokergesicht aufzusetzen.
Ticket: Aber im Film geht es ja um Glücksspiele. Gibt es eins, das Ihnen näherliegt?
Chastain: Ich bin überhaupt kein Zocker, das kann ich zu hundert Prozent beschwören. Einmal nahm ich an einer Reise mit Freunden nach Las Vegas teil. Während alle anderen nur wegen der Glücksspiele kamen, sah ich mir lieber die Bühnenshows an oder hing einfach nur am Swimmingpool ab. Schließlich wurden mir 100 Dollar in die Hand gedrückt, damit ich es zumindest mal probiere. Also ging ich an den Roulettetisch, setzt das Geld auf Schwarz und gewann tatsächlich. Ich konnte meinen Einsatz verdoppeln, nahm das Geld und verschwand wieder.
Ticket: An den Pokertischen der Molly Bloom saßen auch Hollywoodstars wie Leonardo DiCaprio, Ben Affleck oder Tobey Maguire. Haben Sie diese Kollegen mal darauf angesprochen?
Chastain: Tatsächlich habe ich mit Personen gesprochen, die mit Molly gespielt haben. Ich wurde sogar in New York zu einer Partie mit allen Spielern eingeladen, die mit ihr zu tun hatten. Wir haben viel drüber gesprochen, wie das damals so vor sich ging und wie Molly als Mensch war. Das hat mir sehr bei der Vorbereitung auf die Rolle geholfen.
Ticket: Hat sich Tobey Maguire, der im Film von Michael Cera gespielt wird und dabei nicht wirklich gut wegkommt, schon geäußert?
Chastain: Das weiß ich nicht. Im Film wird auch nicht gesagt, wer hier wer ist. Regisseur Aaron Sorkin nennt die Figur mit Absicht Player X. Am Ende des Films wird klar, das Molly nie aufgehört hat, über ihre einstigen Spieler zu tratschen.
Ticket: Haben Sie mal darüber nachgedacht, dass es in der heutigen Börsen- und Finanzwelt vielleicht genauso zugeht wie an einem Pokertisch?
Chastain: Vielleicht liegt es daran, dass beide Bereiche von Männern dominiert werden (lacht). Ich denke, der Film erklärt einiges, wie es dahingehend in unserer Gesellschaft zugeht. Das sehen wir überall, ob in Familien, in der Regierung oder in der Industrie. Aaron Sorkin ist ein politischer Filmemacher, der schon immer gern sozialkritische Anmerkungen eingebaut hat. So unterhaltsam unser Film auch ist, es steckt in ihm viel über das Thema Geschlechterpolitik.
Ticket: Man hat Sie schon in vielen anspruchsvollen Rollen erlebt. Werden Ihnen solche wie selbstverständlich angeboten, oder müssen Sie schwer danach suchen?
Chastain: Wenn ich ehrlich bin, hätte ich nie erwartet, an dem Punkt zu sein, an dem ich mich heute befinde. Das nenne ich großes Glück. Ein zugesandtes Drehbuch ist wie ein Angebot zu verstehen. Danach trifft man sich mit dem Regisseur, um zu sehen, ob die Chemie stimmt, und dann kann es losgehen. Im Fall von "Molly’s Game" wurde mir die Rolle jedoch nicht angeboten. Ich las das Drehbuch und erkannte sofort, dass es eine tolle Rolle ist, die ich unbedingt spielen will. Als ich mich mit Aaron Sorkin traf, war ich nicht die Einzige. Er sah sich auch andere Schauspielerinnen an.
Ticket: Wie haben Sie ihn überzeugt?
Chastain: Im Vorfeld habe ich viel über Molly Bloom recherchiert, und als ich zu Aaron kommen sollte, betrat ich den Raum mit der gleichen Energie wie Molly. Sie ist eine sehr selbstbewusste Frau, die sich nimmt, was sie will. Deshalb sagte ich schon nach wenigen Minuten zu Aaron: "Warum haben wir dieses Treffen? Warum gibst du mir nicht einfach die Rolle und ersparst dir die Treffen mit anderen Schauspielerinnen? Du weißt, das ist meine Rolle, und es gibt keine bessere dafür." Da war er baff, und ich auch, weil ich zuvor noch nie so mit einem Regisseur gesprochen habe. Aber ich tat es, weil Molly so vorgegangen wäre. Aaron antwortete dann, die echte Molly hätte ihm schon gesagt, dass ich ihre Wunschkandidatin wäre.


von tsc
am Fr, 09. März 2018

Info

MOLLY’S GAME

Regie: Aaron Sorkin
Mit Jessica Chastain, Idris Elba, Kevin Costner, Chris O’Dowd, Michael Cera und anderen.
140 Minuten, frei ab 12 Jahren

Die Story
Nach einer schweren Verletzung muss Skifahrerin Molly Bloom (Jessica Chastain) ihre Sportkarriere beenden. So landet sie in der Pokerszene von Los Angeles und organisiert fortan Turniere für die Prominenz. Ohne ihr Wissen mischt auch die russische Mafia mit, und sie wird vom FBI verhaftet.  

Autor: bz

Badens beste Erlebnisse