Soul & Jazz

Ed Motta gibt ein Konzert im Jazzhaus in Freiburg

Brasiliens Seele, Kaliforniens Sonne: Ed Motta, Soul- und Funkgigant aus Rio, veröffentlicht sein neues Album .

Für den brasilianischen Anspruchspop ist er das, was Tom Jobim für die Bossa Nova war. Zudem ist er: Wunderkind und Weinkenner mit eigenem Sommelier-Blog, Musicalschreiber, Filmsammler und Comic-Connoisseur. Um Ed Mottas Eigenschaften getreu abzubilden, ließen sich Seiten füllen. Und auch der Interviewtermin mit dem in jeder Hinsicht kolossalen Sänger, Keyboarder, Komponist und Arrangeur anlässlich der Veröffentlichung seines zwölften Albums "Perpetual Gateways" ufert mehrstündig aus. Denn es gibt kein Thema, über das man mit Ed Motta nicht tiefgründig und espritvoll plaudern könnte.

Bis vor wenigen Jahren war Ed (sprich: Ädschi) Motta noch ein Geheimtipp in Deutschland. Geboren wird der Sohn italienischer und afrobrasilianischer Vorfahren 1971 in einen Bossa-verrückten Haushalt. "Durch die Bossa Nova bin ich zum Jazz gekommen, denn da steckt ja die ganze Harmonik drin, neben der Sambamelancholie und den impressionistischen Einflüssen Jobims. Für mich war der Rhythmus in Brasilien immer der unwichtigste Aspekt überhaupt. Brasilien und der Rhythmus – was für ein Klischee!" Soul und Funk gehören von Anfang an auch zu Eds Grundausstattung, denn während seiner Kindheit steuert das Black Rio Movement dem Zenit entgegen, Brasiliens Antwort auf die Musik der Bürgerrechtsbewegung. Mit 16 gibt er bereits sein Plattendebüt, und Onkel Tim Maia, bis dahin das Maß aller Dinge in Brasiliens Soul, geht auf Distanz. Denn schnell wird klar, dass der liebe Neffe ihn in sämtlichen Fertigkeiten überholen wird. Doch als er mit den Folgealben etwas jazziger wird, will das in der Heimat niemand hören. Ein Lehrjahr in New York schließt sich an, inklusive Sessions mit dem berühmten Souldrummer Bernard Purdie.

Zurück in Brasilien beißt Motta in den sauren Apfel. "Ich wollte nicht mein Leben lang Miete bezahlen, also sagte ich mir: Schnell ein Album mit Mist raushauen und davon ein Apartment kaufen." Mit dem Popproduzenten Liminha spielt er "Manual Prático" ein, das keineswegs Mist ist: Das packende Discofunk-Repertoire bringt ihm den Durchbruch zu Hause und erlaubt fortan die künstlerischen Freiheiten, die er sich immer gewünscht hat. Zum Beispiel auf seinem bis heute gültigen Meisterstreich "Dwitza" von 2002 mit einer aberwitzigen Spannbreite an Stilen, die von Souljazz über Steely Dan-Flair bis zu einem Walzer reicht, dessen Text ausschließlich aus französischen Weinnamen besteht. Unbeirrt setzt er seinen Eklektizismus auf den Folgealben fort, schiebt Kompositionen für Musicals und leichter verdauliche Werke ein.

"Meine Musik ist das Ergebnis meines Nerdtums", gibt Motta freimütig zu. "Sie entsteht nie aus Erfahrungen von draußen, denn ich bin ein konsequenter Stubenhocker, der seine Sammlung von 30 000 Platten und DVDs studiert." Und nahtlos beginnt er, der gerade in die deutsche Hauptstadt übergesiedelt ist, von "Berlin Alexanderplatz" und "Raumpatrouille Orion" zu schwärmen. Einem größeren Publikum bekannt wird Ed Motta bei uns durch seine Scheibe "AOR" von 2013, mit der er seiner Liebe zum kalifornischen Sunshine-Pop frönt.

Was dann zum aktuellen Nachfolgewerk "Perpetual Gateways" führt: Ed Motta singt nun nicht von seinem Homestudio aus im California-Style, er hat auch gleich vor Ort die Sessions absolviert. "Mit African Americans aufzunehmen ergab für mich Sinn, denn ich war Zeit meines Lebens von der schwarzen Musik Amerikas beeinflusst." Der Produzent Kamau Kenyatta, auch verantwortlich für Gregory Porters Debüt, hat ihm eine All Star-Band mit Fusiongrößen wie der Keyboarderin Patrice Rushen und dem Flötisten Hubert Laws hingestellt. Motta unterteilt das Album in eine L.A.- und eine NY-Seite, in ein "Soul-" und ein "Jazz-Gate". 50 Prozent bezeichnet er als Steely Dan- und Zappa-Einfluss, 50 Prozent als postboppig, und von dieser gegensätzlichen Dramaturgie leben die Tracks.

Weit auseinander geht die Schere von "Captain’s Refusal", ein zurückgelehnter Soundtrack zu einer Agentenstory à la 007, bis zur turbulenten Vokalise von "I Remember Julie", einem Hasslied auf die Hipster, die Vinyl nur sammeln, weil es gerade Mode ist. Zwischendurch eifert er in einer ergreifenden Ballade auch mal seinem großen Idol Donny Hathaway nach, dem er vokale Grand Cru-Qualitäten attestiert. Im Finale gibt es dann mit dem großartigen modalen "Overblown Overweight" sogar noch eine Spur Spiritual Jazz.

Hören sollte man das allerdings im Sitzen, empfiehlt er: "Ich hasse die Diktatur des Tanzens. Wenn ich Musik höre, dann wackle ich höchstens minimal mit dem Kopf. Du verlierst sonst deine ganze Aufmerksamkeit."

Ed Motta: Perpetual Gateways (Must Have Jazz/Membran). Konzert: Freiburg, 6. Nov., Jazzhaus, 20 Uhr, Tickets: bz-ticket.de/karten
von Stefan Franzen
am Sa, 13. Februar 2016

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