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Ein gutes Leben für alle ist bezahlbar

Christian Mihatsch
  • Sa, 12. September 2015
    Wirtschaft

BZ-SERIE NACHHALTIGKEITSZIELE (2): Es kostet nicht die Welt, die Welt nachhaltig zu entwickeln.

CHIANG MAI. Mit einem ehrgeizigen Aktionsplan will die Staatengemeinschaft bis 2030 die absolute Armut beseitigen, die Gleichstellung von Frauen vorantreiben und dem Klimawandel entgegensteuern. Das ist der Kern der nachhaltigen Entwicklungsziele – der Sustainable Development Goals (SDGs). Sie sind die Nachfolger der Millenniumsziele. Auf der UN-Vollversammlung Ende September in New York sollen die Ziele beschlossen werden und 2016 in Kraft treten. In einer BZ-Serie zum Thema geht es heute um die Frage: Wer soll das bezahlen?

Die Abschaffung von Hunger, absoluter Armut und ähnlich ehrgeizige Ziele sind nicht unbezahlbar. Die Kosten für die Umsetzung aller Ziele betragen nach Berechnungen von Nichtregierungsorganisationen weniger als die Hälfte des deutschen Bruttoinlandsprodukts – je nach Schätzung zwischen 800 Milliarden und 1500 Milliarden Dollar im Jahr. Das ist weniger als die Hälfte des deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP), das auf Basis international vergleichbarerer Daten im Jahr 2013 bei 3513 Milliarden Dollar lag.

Die nachhaltigen Entwicklungsziele, die SDGs, sind ein "Plan für die Menschen, den Planeten und Wohlstand" und versprechen: "Niemand wird zurückgelassen." Dieser Managementplan für die Welt AG beinhaltet viele, extrem lukrative Investitionen: Für jeden Euro, der in Kindergärten und Primarschulen oder den Kampf gegen Malaria, Tuberkulose und Aids gesteckt wird, erhält man einen Ertrag von 30 Euro, wie der dänische Think Tank Copenhagen Consensus Center ausgerechnet hat. Anfangs sind aber auch erhebliche Investitionen erforderlich, um die 17 Ober- und 169 Unterziele zu erreichen. Eine Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam und des Beratungsunternehmens Development Finance International (DFI) beziffert den Finanzbedarf (siehe Grafik).

Weltbank: Brauchen einen Paradigmenwechsel

Die Entwicklungsländer müssen demnach jedes Jahr zwischen 813 Milliarden und etwas weniger als 1494 Milliarden Dollar zusätzliche öffentliche Ausgaben tätigen, um die Ziele zu erreichen. Dies entspricht drei bis sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dieser Länder. Die Weltbank kommt daher zum Schluss: "Im Prinzip hat die Menschheit die Mittel, um die SDGs zu erreichen."

Die Weltbank warnt aber: "Es braucht einen Paradigmenwechsel bei der Entwicklungsfinanzierung, um die für die SDGs erforderlichen Mittel zu mobilisieren." Entwicklungshilfegelder der reichen Länder allein reichen nicht. Sie betrugen vergangenes Jahr 135 Milliarden Dollar – Allzeitrekord. Dazu kamen 65 Milliarden Dollar aus Spenden und von Stiftungen sowie von anderen Entwicklungsländern. Selbst wenn die reichen Länder ihre Ausgaben für Entwicklungshilfe auf den internationalen Zielwert von 0,7 Prozent des BIP erhöhen würden, käme man nur auf 400 Milliarden Dollar. Dazu kämen im besten Fall die 100 Milliarden Dollar, die die Industriestaaten aufbringen wollen, um die Entwicklungsländer beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Selbst dann sind zwei Drittel der 1500-Milliarden-Dollar-Rechnung nicht gedeckt. Die gute Nachricht ist aber: Der von der Weltbank angemahnte Paradigmenwechsel wurde bei einer Konferenz in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba im Juli bereits eingeleitet.

Die 1000-Milliarden-Dollar-Lücke soll mit Mitteln aus drei Quellen geschlossen werden: durch höhere Steuereinnahmen der Entwicklungsländer, durch eine Reduktion von Schwarzgeldflüssen und durch private Investitionen. An allen drei Bereichen wird gearbeitet. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Klub der reichen Länder, kümmert sich um die Steuereinnahmen. Viele multinationale Konzerne reduzieren heute ihre Steuerlast, indem sie Gewinne in Länder mit sehr niedrigen Unternehmenssteuern wie Luxemburg oder Irland verschieben. Dies soll verhindert werden, indem man diese Firmen zwingt, ihre Gewinne und ihre Steuerzahlungen Land für Land auszuweisen.

Private Investoren müssen ins Boot

Um Schwarzgeldflüsse einzudämmen, sollen Firmen und Stiftungen offenlegen, wem sie gehören und wem die Gewinne zufallen. Private Investitionen spielen derweil insbesondere in den Bereichen Energie und Infrastruktur eine wichtige Rolle. Hier hat sich in den vergangenen Jahren etwa ein wachsender Markt für sogenannte grüne Anleihen (green bonds) entwickelt, um Investitionen in erneuerbare Energien zu finanzieren. Weiteres Geld für Infrastruktur kommt ab 2016 von einer neuen Entwicklungsbank, der Asian Infrastructure Investment Bank.

Für die ärmsten Länder der Welt reicht das alles aber nicht aus. Die potenziellen Steuereinnahmen sind zu gering und für ausländische Investoren sind diese Staaten meist unattraktiv, auch deshalb, weil viele von ihnen politisch instabil sind. Das macht auch dem Entwicklungsökonomen Jeffrey Sachs Sorgen: "Wir brauchen neue (Finanzierungs-)Initiativen, damit die Länder mit niedrigem Einkommen die SDGs für Gesundheit, Bildung und Hunger erreichen können. Aber wir haben keine spezifischen Initiativen, die auf die SDGs abgestimmt sind." In Addis Abeba hat man sich einzig darauf geeinigt, dass die ärmsten Länder der Welt nicht wie bislang ein Drittel, sondern die Hälfte der Entwicklungshilfegelder bekommen sollen. Ob das reicht, ist offen.

Mit den nachhaltigen Entwicklungszielen hat die Menschheit einen Plan, der es erlaubt, kontinuierlich die Entwicklung in den verschiedenen Ländern zu kontrollieren. Lassen sich dabei Planabweichungen erkennen, müssen die Länder nachsteuern. Klar ist aber: Die nachhaltigen Entwicklungsziele sind – wenn der Wille da ist – bezahlbar.

Ressort: Wirtschaft

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