Neue Musik

Erstes von drei Jubiläumskonzerten zu 30 Jahren Offenburger Ensemble

Seit 30 Jahren leben Uschi und Gerhard Möhringer-Gross mit Konzerten ihres Offenburger Ensembles die Liebe zur Neuen Musik.

OFFENBURG. Auf dem Treppenabsatz vor der Wohnungstür wacht ein Neufundländer – ein Mordskerl, fast einen Meter groß. Es ist nicht irgendein Hund, sondern der von Richard Wagner, als Plastik verewigt vom Künstler Ottmar Hörl in einer Stückzahl von 800 Exemplaren. "Keine Angst, der macht nichts", meinen Gerhard Möhringer-Gross und seine Ehefrau Uschi. Die von einem Lächeln begleitete Aussage ist ein treffenden Beispiel für den Humor des Paars, das vor 30 Jahren das Offenburger Ensemble gründete – ein Ensemble, das ausschließlich Werke der Moderne und Postmoderne interpretiert und das darüber zu einer Institution wurde.

"Wir hatten damals ein Kammerkonzert in Freiburg besucht", erinnern sich Uschi und Gerhard Möhringer-Gross, "ausschließlich Werke der Wiener Schule, Berg, Schönberg, Webern." Das brachte sie auf die Idee, so etwas auch in Offenburg anzubieten. "Die Musiker waren vorhanden in Offenburg, tolle Musiker: Frank, Rolf und Stefan Schilli, Daniel Lampert und viele andere, die heute erfolgreich in großen Ensembles und solistisch unterwegs sind." Ein einziges Konzert sollte es werden. "Wir hofften auf dreißig Zuhörer. Aber es kamen viel mehr. Also haben wir weitergemacht."

Damals gab es viel Wechsel im Ensemble, weil die Mitglieder oft nach beendetem Studium die Region verließen. Mittlerweile hat das Offenburger Ensemble einen stabilen Stamm von rund 25 Musikern. Uschi Gross am Pianoforte gehört als Konstante dazu. Sie hat in fast allen der bislang 95 Konzerte mitgewirkt. Weitere Musiker sind Friedemann Treiber, Violine, das Offenburger Streichtrio, der Pianist Roman Kühn, Markus Raus, Klarinette, Annette Winker, Fagott, Peter Stöhr, Flöte, Uli Steurer, Oboe, die Sängerinnen Viola de Galgoczy und Julia Mende sowie viele mehr. Dass es zum 30-jährigen Bestehen die Konzerte Numero 96, 97 und 98 gibt, habe sich so ergeben. "Zum 25-jährigen waren es sogar fünf Konzerte, und zum 15-jähren gab es ein ganz langes, von Nachmittags bis Mitternacht, bei fließendem Ein- und Austritt des Publikums", erinnern sich die beiden.

Experiment ist eines der Markenzeichen des Ensembles. Da werden Kompositionen mit Literatur verknüpft – so auch am Sonntag beim ersten der drei Jubiläumskonzerte –, mit bildender Kunst, mit Elektronik, mit improvisierter Musik.

Die Organisation teilen sie sich: Uschi Gross ist für den Druck der Programme, die Terminabsprache mit der Stadt und die finanziellen Belange zuständig. Ihr Ehemann stellt das Programm zusammen, organisiert die Musiker und bucht den Schillersaal. Uschi Gross wirkt als Pianistin mit, ihr Mann als Dirigent sowie als Moderator. Dass dessen Moderationen zum Markenkern des Ensembles gehören, wie die zahlreichen Stammgäste des Ensembles immer wieder betonen, will Gerhard Möhringer-Gross in dieser Deutlichkeit nicht gelten lassen. Er bekomme häufig die Rückmeldung, dass sie ein wichtiger Teil des Konzerts seien, sagt er diplomatisch. "Sie stellen den Kontakt zum Publikum her. Rauf auf die Bühne, spielen, runter von der Bühne ohne ein Wort – das wäre furchtbar." Ein paar Informationen zum Komponisten und zu dessen Intentionen, dazu Hinweise, worauf der Hörer achten könnte – das sei bei zeitgenossischer Musik schon hilfreich. "Um den Appenweierer Musikwissenschaftler Stefan Schaub zu zitieren: Es präpariert den Hinterkopf des Hörers", meint Möhringer-Gross schmunzelnd.

Dass das Ehepaar jüngst beim Neujahrsempfang die Bürgermedaille der Stadt Offenburg erhielten, freut die beiden. Es zeige, dass man über das eigenen Publikum hinaus wahrgenommen und das Ensemble als Bereicherung für Offenburg gesehen werde. "Was uns auch gefreut hat: Das wir neben den Schwestern von Hegne und neben dem Jugendkeller Kessel ausgezeichnet wurden. Es zeigt die Vielfältigkeit des Engagements hier in der Stadt." Für sie ist der Zuspruch, den das Offenburger Ensemble erfährt auch ein Beleg dafür, dass die vermeintlich "schwierige" oder "unverständliche" Musik auf Interesse stößt.

"Vor 50 Jahren galt

Strawinskys Sacre de Printemps noch als schwierig, heute ist es ein Konzertknaller."

Hier tue sich in beiden Richtungen etwas: "Vor 50 Jahren galt Strawinskys Sacre de Printemps noch als schwierig, heute ist es ein Konzertknaller." Heute komponiere man wieder stärker auf das Publikum zu. "Am radikalsten waren gewiss die 1950er und 1960er Jahre. Nach dem Dritten Reich waren die Künstler allergisch gegen jegliches Pathos. Musik sollte rein sein, wie die Mathematik." Neue Tendenzen gebe es immer, so die "Spektralmusik" mit ihrem Obertonspektrum: "Mischklänge, die nicht mehr Dur oder Moll sind."

Genötigt einen persönlichen Favoriten zu nennen, tun sie sich schwer. "Weil es soviel großartige Musik gibt." Dann entscheiden sie sich doch: für das Violinkonzert von Alban Berg. "Wir hören es immer wieder, es klingt immer wieder neu, und es hat eine wunderbare Atmosphäre."

Das Programm für Sonntag, 22. Januar, 11 Uhr, im Schillersaal zeigt wieder den Humor von Gerhard und Uschi Möhringer-Gross. Es behandelt den Schwarzwald und geht "vom Holz aufs Stöckchen". Auf Hindemiths Walzer "Drei Mädchen aus dem Schwarzwald" folgen "Baum" von Boris Yoffe, Karlsruhe, und "Splitter" des Haslachers Xaver Paul Thoma, gepaart mit Gedichten des Lyrikers José F. A. Olivér aus Hausach über den Holzbildhauer Armin Göhringer. Dem folgen Werke von Béla Bartok, dem jüdisch-ungarischen Komponisten Géza Frid und weiteren.
von Robert Ullmann
am Fr, 20. Januar 2017

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