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Online-Schmähkritik

Fall Maria: Prozess in Freiburg, weil Mutter online beleidigt wurde

Dorothee Soboll
  • Mi, 11. November 2015, 19:14 Uhr
    Südwest

Als "Lügnerin" beleidigt: Die Mutter der vermissten Maria Henselmann zeigt einen 53-Jährigen an, der sich online über sie abwertend äußerte. Vor dem Freiburger Landgericht fand nun der Prozess statt.

Beleidigung oder Meinungsäußerung? Das ist ein Fall für Justitia.  | Foto: Ingo Schneider
Beleidigung oder Meinungsäußerung? Das ist ein Fall für Justitia. Foto: Ingo Schneider
Wo ist Maria? Auf diese Frage gibt es immer noch keine Antwort. Maria Henselmann ist ein Mädchen, das im Mai 2013 verschwunden ist. Damals war sie 13 Jahre alt und, das nimmt die Polizei an, in Begleitung des 40 Jahre älteren Bernhard Haase. Neue Erkenntnisse konnte auch ein Prozess vor dem Freiburger Landgericht nicht liefern.

Verhandelt wurde die Berufung eines 53-Jährigen gegen ein Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom Oktober 2014. Das Gericht war damals zu dem Schluss gekommen, dass der Mann die Mutter von Maria beleidigt habe und verurteilte den mittlerweile 53-Jährigen zu einer Geldstrafe in Höhe von 400 Euro. Das wollte der Mann nicht hinnehmen. Und so traf er erneut vor Gericht auf Marias Mutter Monika Beisler, die dieses Mal als Zeugin auftrat.

Suche in den sozialen Netzwerken und auf einem Blog

Nachdem Maria verschwunden war, begann ihre Mutter Monika Beisler mit einer großangelegten Suche – unter anderem in den sozialen Netzwerken und auf einem Blog im Internet. Für die Aktion "Bitte findet Maria" fanden sich viele Unterstützer – aber auch Gegner. Allen voran der angeklagte 53-Jährige.

In seinem Blog beschäftigt er sich intensiv mit dem "Fall Maria". Das Blog diene der "Wahrheitsfindung", wie er selbst schreibt. Er äußerte sich nicht immer sachlich, sondern aus Sicht der Mutter mitunter beleidigend über sie und Marias Familienverhältnisse. Für ihn ist die Sache klar: Maria ist freiwillig weggegangen, von Kindesentzug kann keine Rede sein. Er sieht eher einen "Rachefeldzug" der Mutter gegen die eigene Tochter. Eine Frage des guten Tons? Oder aber: Wo ist die Grenze zur Beleidigung?

Monika Beisler als "Zicke" und "Lügnerin" bezeichnet

Im Mittelpunkt standen zwei Äußerungen des Angeklagten. Zum einen bezeichnete er Monika Beisler laut Richter Martin Bellm als "Zicke", zum anderen als "psychisch kranke, pathologische Lügnerin". Weil es ein Berufungsverfahren war, wurde die Beweisaufnahme wiederholt. Also verlas Richter Bellm 20 Minuten lang diverse Blogeinträge und Kommentare. Der Angeklagte, der hektisch wirkte und sich immer wieder das rechte Auge rieb, starrte währenddessen auf den Tisch, wirkte teilweise abwesend.

Auf Nachfrage erklärte er, dass das Interesse an dem Fall stark nachgelassen habe und er die Blogeinträge noch am Nachmittag löschen würde, falls er nicht weiter belangt werde. Das wiederholte er, als Monika Beisler im Zeugenstand saß. Sie lehnte das Angebot ab: "Für mich ist das Kind in den Brunnen gefallen. Ich bin beleidigt worden, meine Kinder leiden darunter." Die Blogeinträge würden längst im Netz kursieren. Sie fügte hinzu: "Willkommen im Internet."

Die Frage ist, ob die Äußerungen des Angeklagten beleidigend sind

Zu Wort kam auch Polizeihauptmeister Mario Böcherer aus Freiburg, der für die Strafanzeigen von Monika Beisler zuständig war. Nach den Zeugenaussagen konnte Richter Bellm feststellen, dass der Sachverhalt bestätigt sei. "Es geht jetzt um die Frage, ob die Äußerungen des Angeklagten rechtlich als Beleidigungen einzustufen sind."

Staatsanwältin Martina Vatter fand: Ja, der Tatbestand sei in beiden Fällen erfüllt. Sie forderte erneut eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen à 10 Euro, also die bereits verhängten 400 Euro. Dem schloss sich das Gericht aber nicht an.

Für Richter Bellm und seine beiden Schöffen drücke die Äußerung "Zicke" die Meinung des Angeklagten aus. Mit "psychologisch kranke, pathologische Lügnerin" sei der 53-Jährige aber zu weit gegangen. "Bei dieser Schmähkritik geht es darum, jemanden herabzuwürdigen", erläuterte Richter Bellm. Der Angeklagte habe eine gewisse Einsicht gezeigt, sei aber bereits vorbestraft.

Nach dieser Abwägung milderte das Gericht das Urteil des Amtsgerichts ab: Sie verhängten eine Geldstrafe in Höhe von 25 Tagessätze à 10 Euro, also 250 statt 400 Euro. Der Angeklagte hat die Möglichkeit, gegen das Urteil Revision einzulegen. Im Fall Maria gab es an diesem Nebenschauplatz freilich keine weiteren Erkenntnisse.

Mehr zum Thema:

Ressort: Südwest

Dossier: Fall Maria H.

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 12. November 2015: PDF-Version herunterladen

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