Flucht nach oben

Kindgerechte Wanderung: eine Bergabtour vom Kandelgipfel aus.

Es herrscht wieder einmal dicke Luft in der Stadt – und auch bei den Kindern, die nicht wissen, wohin mit sich. Die Lösung heißt Auslüften am Kandel. Zwar ist unser Lieblingsberg mit seinen gut 1241 Metern nicht der höchste Gipfel im Schwarzwald, ist aber einer der schönsten, finden wir.

Der Einfachheit halber steigen wir erst ins Auto, doch nur bis zum Sägendobel. Dort, in dem kleinen Ortsteil von St. Peter, direkt am Fuße des Kandels, trennen uns noch knapp 500 Höhenmeter vom Höhepunkt des Tages. Das ist viel, und um dicke Luft zwischen Erwachsenen und Kindern zu vermeiden, nehmen wir den Bus. Kurz darauf sind wir schon da, am Kandel Rasthaus, steigen aus und fühlen uns gleich wie in einer anderen Welt – kein Wunder, denn dem Kandel werden magische Kräfte nachgesagt. Berg der Kräfte wird er genannt und galt von jeher als Blocksberg im Schwarzwald. "Was ist eigentlich ein Blocksberg?", will einer Jungs wissen, als wir der blauen Raute zur Gipfelpyramide folgen. Ein Hexenberg sei das, erzählen wir. Das steht auch auf einer der Infostelen, die sich über das gesamte Kandelbergland verteilen und auf interessante Plätze hinweisen. Hingesetzt wurden sie vom Verein "Zukunft Kandel e. V.", initiiert von den umliegenden Gemeinden.

Spannend aufgearbeitet sind dort auch die Mythen. Denn viele Legenden und Sagen kreisen um den Berg und so ist es kein Wunder, dass der Kandelfels ausgerechnet in der Walpurgisnacht abgestürzt ist, womöglich durch Hexenkraft?

Doch von solchen unheimlichen Kräften ist an der Gipfelpyramide nichts zu spüren. Zwar schieben sich die Wolken am Horizont vor den Vogesenblick, aber dennoch ist sie da, die Weite mit ganz viel Himmel, die Aussicht auf Schwarzwaldkämme, die sich ausbreiten wie ein grüner Teppich, der nicht sauber aufliegt, sondern Wellen wirft.

Die Jungs zieht’s weiter, bergab durch den Wald Richtung Fensterliwirt, wo schon einige Wanderer an urigen Wurzeltischen Platz genommen haben. Wir gehen in die Knie, aber nur zum Bestellen, denn die Gummenhüttenwirte servieren traditionsgemäß vom Fenster aus.

Nach solchen Hochgenüssen mit feinem Vesper, Kuchen und dem Feldberg vor der Nase sind auch die Jungs gestärkt für den weiteren Weg. Der führt uns Richtung Westen, ehe wir der roten Raute mit dem "K" für Kandelhöhenweg in den kühlen, schattigen Wald folgen. Die Jungs suchen sich Gehstöcke, essen sich durch die Kräuter am Wegesrand und beäugen misstrauisch die Kühe; "Guck mal, die großen Hörner". Wir Erwachsene haben derweil eine Stele entdeckt, die ebenfalls von Kühen und Jungs handelt: Noch bis in die 1950er Jahre dienten Hirtenbuben im Alter von neun Jahren den Bauern. Zwischen den Hütezeiten, so heißt es weiter, mussten sie vom Berghäusle aus in die 500 Meter tiefer gelegene Schule im Sägendobel laufen und anschließend zurück, nebenbei trugen sie noch Post aus.

Unsere Kinder hingegen dürfen Kinder sein, tun das unbeschwert und liefern sich Wettrennen. An der 1000-Meter-Bank tut sich ein toller, zum letzten Mal vierstelliger Blick auf über Schwarzwaldketten und bunte Sommerweiden, darüber spannt sich der Himmel mit hingetupften Wolken. So schön könnte alles sein – wenn wir nicht wieder zurück müssten, in die dicke Luft.

Weitere Infos: Route: Vom Kandel über die Gummenhütte zum Disselhäusle, dort steil zum Sägendobel, Länge: etwa 5 Kilometer. Den Busfahrplan vom Sägendobel zum Kandel gibt’s unter folgendem Link:

http://mehr.bz/busplan
von Anita Fertl
am Fr, 29. September 2017

Badens beste Erlebnisse