"Fragen und Denkprozesse sichtbar machen"

Hannes Heinrich zeigt seine Werke bei einer Ausstellung des Kunstvereins Kirchzarten in der Alten Evangelischen Kirche.

KIRCHZARTEN. In der Galerie des Kunstvereins Kirchzarten in der Alten Evangelischen Kirche sind derzeit unter dem Titel "Shades" meist großformatige Bilder des jungen Künstlers Hannes Heinrich ausgestellt. Der 1989 in Königsberg geborene Heinrich hat Malerei bei Karin Kneffel an der Akademie der Bildenden Künste in München und an der Slade School of Fine Arts (UCL) London studiert.

Beim ersten Blick auf Heinrichs Malereien dominiert der Eindruck von bildfüllenden Gitter- oder Liniennetzen, in die seine Motive – zumeist stilisierte Pflanzenteile – gesetzt sind. Die im Vordergrund organisch erkennbaren Blattstrukturen werfen ihren Schatten in den Bildhintergrund, manchmal ist schemenhaft ein zusätzlicher menschlicher Umriss erkennbar. Von Weitem betrachtet überlagern sich die Bildebenen Linienraster-Blattstrukturen-Schattenwurf-Bildhintergrund, die für das Auge nicht unmittelbar exakt voneinander zu trennen sind.

Tritt man näher, wird deutlich, dass das Liniennetz am Anfang des Malprozesses steht und somit den Ausgangspunkt des Malprozesses setzt. Erst danach kristallisiert sich im Malprozess die Bildidee und deren spezifische Umsetzung heraus, die dem jeweiligen Bild seinen Sinn verleiht. Der Künstler zwingt sich dadurch selbst, seine Bildobjekte entweder um das Raster herum oder darüber hinweg zu malen. Hannes Heinrich versucht mit dieser Malweise nach eigenen Angaben "Fragen und Denkprozesse sichtbar zu machen". Kunstvereinsvorsitzender Jürgen Fiederlein charakterisierte bei der Vernissage am Sonntag diese Haltung folgendermaßen: "Für ihn wird somit der Malprozess nicht nur Grundlage und Werkzeug, sondern auch Inhalt des Bildes."

Und dies funktioniert: Das prozesshaft Offene dieser Malweise stellt sich auch auf Betrachterebene ein. Die zunächst eher verwirrenden mehrschichtigen Bildstrukturen erfordern ein Herantasten, ein Zurechtfinden. Der erste Eindruck, wonach das Linienraster Objekt und Schattenwurf sauber trennt, stellt sich bei näherem Hinsehen als Trugschluss heraus, und der Rezipient wird zu eigenständiger Auseinandersetzung mit dem Bildinhalt provoziert. Die dadurch sich zunächst einstellende Irritation löst sich jedoch zusehends wieder auf, da Motivwahl und Farbkompositionen bei Heinrich letztlich zu versöhnlichem Ausgleich einladen. Oder wie Jürgen Fiederlein sagte: "Die Gesamtheit der Komposition wird damit zum Maßstab der Bildbetrachtung" – nicht die schlechteste Wirkung von Malerei. Der Kunstverein hat übrigens ein Motiv von Hannes Heinrich in kleiner Auflage als aufwendigen Kunstdruck aufgearbeitet, der für kleines Geld bei der Ausstellung erworben werden kann.

Die Ausstellung ist bis 5. April jeweils Freitag, Samstag und Sonntag von 17 bis 19 Uhr in der Alten Evangelischen Kirche in Kirchzarten, Burgersstraße 8 zu sehen; mehr Infos über den Künstler gibt es im Internet unter hannesheinrich.com.


von Erich Krieger
am Mi, 11. März 2020

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