Oper

Interview mit der Regisseurin Florentine Klepper, die Händels Oper "Julius Cäsar in Ägypten" am Theater Freiburg inszeniert

TICKET-INTERVIEW: Florentine Klepper inszeniert Händels "Julius Cäsar" in Freiburg.

Florentine Klepper hat mit ihrer Inszenierung von Erich Wolfgang Korngolds Oper "Die tote Stadt" am Theater Freiburg einen starken Eindruck hinterlassen. Jetzt setzt sie Händels "Julius Cäsar in Ägypten" in Szene. Georg Rudiger sprach mit der Regisseurin über Kontrollverlust, das Fremde in uns und die Modernität der Oper.

Ticket: "Gulio Cesare in Egitto" war eine Erfolgsoper. Warum?
Klepper: Es gibt wunderbare Arien, die genau auf die Sängerinnen und Sänger der Uraufführung zugeschnitten waren. Die Musik ist großartig! Die Dramaturgie hingegen war nicht der Grund für den Erfolg – an der arbeiten wir uns ab. Sehr gelungen an dem Stück ist die facettenreiche, emotionale Zeichnung der Hauptfiguren.
Ticket: Das Libretto ist komplex. Es gibt viele Intrigen und Handlungsstränge, die parallel ablaufen. Macht das die Arbeit für Sie als Regisseurin eher schwer oder eher leicht?
Klepper: Ich würde sagen: herausfordernd. Aber die Welt von heute ist auch sehr komplex. Wir müssen in mehreren Ebenen denken. Deshalb ist mir solch ein Libretto schon lieber als eine ganz einfache Vorlage. Die Herausforderung besteht darin, die einzelnen Handlungsstränge szenisch voneinander zu unterscheiden, aber sinnfällig miteinander zu verbinden.
Ticket: Werden Sie die mehr als dreistündige Oper kürzen?
Klepper: Wir haben hauptsächlich im zweiten Teil gekürzt. Konzeptionell, um einige Gedanken stärker zu unterstreichen, aber auch, um den Abend kompakter zu gestalten. Barockoper kann ja auch einen ermüdenden Effekt haben.
Ticket: Was interessiert Sie an dieser Oper?
Klepper: Der Kontrollverlust. Zu Beginn erleben wir mit Giulio Cesare einen europäischen Machthaber, der innereuropäische Streitigkeiten auf außereuropäischem Boden austragen möchte. Dann schaltet sich der ägyptische König Tolomeo ins Geschehen ein und überbringt den Kopf von Pompejus. Das ist die Schlüsselszene der Oper. Hier werden für alle Beteiligten die Vorzeichen neu gesetzt. Diese Dynamik, die sich von nun an für alle Figuren entwickelt, ist ein Kontrollverlust, der eine Spirale der Gewalt in Gang setzt. In unserer Inszenierung suchen wir das Fremde in unserer eigenen Kultur. Das Unzivilisierte liegt bei uns dicht unter der Oberfläche.
Ticket: Die Oper ist lokal und zeitlich genau verortet. Sie spielt kurz nach dem römischen Bürgerkrieg zwischen Cäsar und Pompejus 48 vor Christus in Ägypten. Wo spielt sie in Freiburg?
Klepper: In der heutigen Zeit in der westlichen Welt. Wir erzählen von einem Menschenexperiment, das nicht genau verortet wird. Natürlich gibt es Hierarchien. Die Figuren bringen ihre Biographie mit.
Ticket: Sie haben von Kontrollverlust gesprochen. Aber die Handelnden möchten schon ganz kontrolliert ihre Interessen durchsetzen.
Klepper: Die Figuren werden durch ihren Machtwillen völlig deformiert. Cleopatra und Tolomeo sind ja eigentlich ein Geschwisterpaar. Cesare ist schon lange an der Macht, wird nun aber mit neuen Vorgehensweisen konfrontiert und rennt durch sein Verliebtsein kopflos durch die Gegend. In diesem Strudel aus Gewalt und Erotik ist viel Kontrollverlust zu spüren.
Ticket: Auf welcher Bühne bewegen sich die Figuren?
Klepper: Sie treffen auf einem Ort aufeinander, an dem zunächst alle gleich sind. Dieser Ort steht für die Fremde und hat seine eigenen Regeln. Mit diesen Regeln muss sich jede Figur neu zurechtfinden. Im ersten Teil trägt das eher absurde Züge, nach der Pause in der Mitte des zweiten Akts bekommt das hoffentlich eine existenzielle Dimension. Wir konzentrieren uns auf das Innenleben der Figuren. Und wir führen eine Rahmenhandlung ein, die das Ganze ein wenig leitet.
Ticket: Warum sollte man sich diese Produktion anschauen?
Klepper: Ich bin am Ende der Probenphase erstaunt, wie modern das Stück ist. Wir fühlen uns momentan in Europa durch unterschiedliche Dinge sehr bedroht. Dieses Gefühl, das man gar nicht genau benennen kann, versuchen wir einzufangen. Mich berühren die Dinge, die in der Schwebe bleiben, die mich fragend zurücklassen. Diesen Weg versuche ich auch in meiner Arbeit zu gehen. Lösungen biete ich keine, Fragen habe ich viele.

Termine: Freiburg, "Julius Cäsar in Ägypten", Theater, Großes Haus, Premiere: Sa, 11. Feb., 19.30 Uhr; und: 18. Feb., 9., 12., 16., 18., 24., 31. März, 19., 23. April, 5., 28. Mai. BZ-Kartenservice Tel. 0761/4968888 sowie bz-ticket.de


von ruge
am Fr, 10. Februar 2017

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