Oper

Interview mit Dirigent Fabrice Bollon zur Freiburger Inszenierung von Peter Tschaikowskys "Eugen Onegin"

TICKET-INTERVIEW: Dirigent Fabrice Bollon über Peter Tschaikowskys "Eugen Onegin".

Mit Peter Tschaikowskys "Eugen Onegin" steht zur Spielzeiteröffnung seit langem wieder eine russische Oper auf dem Spielplan des Freiburger Theaters. Generalmusikdirektor Fabrice Bollon erklärt im Interview mit Georg Rudiger, was er an dieser Oper schätzt. Und spricht über den russischen Klang.

Ticket: Tschaikowsky hat seinen "Eugen Onegin" bewusst nicht Oper genannt, sondern "lyrische Szenen", weil er nur einige Szenen aus Puschkins Drama vertont hat. Was gefällt Ihnen an dem Werk?
Bollon: Die Intimität. Der Komponist geht mit seinen Figuren sehr liebevoll um. Es gibt keine Figur in der Oper, die Tschaikowsky nicht mag. Die psychologische Struktur jedes einzelnen ist musikalisch ganz fein gezeichnet. Die Gefahr für mich als Dirigenten besteht darin, dass sie einander zu ähnlich werden. Die Nuancen müssen wir deshalb gut herausarbeiten. Und natürlich ist schon durch die unterschiedlichen Stimmen für Differenzierung gesorgt. "Eugen Onegin" hat viel weniger Kontraste als "Pique Dame". Obwohl es einige Chorstellen gibt und die Musik dramatisch werden kann, ist das eine Kammeroper.
Ticket: Viele russische Opern hat das Philharmonische Orchester noch nicht gespielt. Was ist dabei zu beachten?
Bollon: Russische Musik klingt ganz anders als etwa französische – wir spielen ja auch noch "Pelléas et Mélisande" in dieser Saison. Ein Piano bei Tschaikowsky ist etwas anderes als ein Piano bei Debussy.
Ticket: Wo sind die Unterschiede?
Bollon: Bei Debussy hat ein Pianoklang viel mit ätherischen, schwerelosen Tönen zu tun. Dadurch bekommt man eine besondere Wirkung. In Tschaikowskys Musik besitzt ein Piano immer noch Substanz. Die Emotion, die in der Musik ist, muss auch im Leisen zu spüren sein. Das hat nicht unbedingt mit Lautstärke zu tun, sondern eher mit Klangfarbe und Intensität. Die Russen spielen teilweise sehr laut und hart. Das wollen wir mit dem Philharmonischen Orchester zwar nicht nachahmen, aber wir möchten einen Klang erzeugen, der immer einen Kern hat. Dann brauchen wir für die Interpretation eine starke Agogik, die sich aus der russischen Sprache ergibt. Es gibt sehr viel Konversation in "Eugen Onegin".
Ticket: Intendant Peter Carp möchte auch im Musiktheater ein festes Ensemble haben, nachdem das Freiburger Theater in den letzten Jahren der Intendantin Barbara Mundel mehr mit Gästen gearbeitet hat. Wie weit sind Sie mit der Ensemblebildung?
Bollon: Die ist so gut wie abgeschlossen. Es wird immer kleinere Veränderungen geben. Natürlich werden wir auch Gäste einladen, aber für diese Saison planen wir keine Neuzugänge. Ich mag die Arbeit mit mir vertrauten Sängerinnen und Sängern sehr. Die Aufführungen gewinnen eine große Lockerheit, weil man sich gut kennt.
Ticket: Carp kommt vom Schauspiel. "Eugen Onegin" wird ja erst seine zweite Operninszenierung sein. Arbeiten Sie Hand in Hand?
Bollon: Im Probenprozess versuchen wir, miteinander die Dinge zu gestalten. Er möchte beispielsweise eine Stelle langsamer haben, weil er der Figur in der Szene mehr Zeit geben will – oder umgekehrt habe ich einen musikalischen Wunsch, auf den er szenisch reagiert. Das ist immer Teamwork, auch mit den Sängern. Peter Carp bleibt bei seiner Inszenierung nah am Stoff und den Figuren – das gefällt mir gut.
Ticket: In "Eugen Onegin" geht es um private Dinge wie verschmähte Liebe. Was ist für sie das Thema?
Bollon: Natürlich geht es erst einmal um Tatjana, die sich als junge Frau in Eugen Onegin verliebt, von diesem aber abgewiesen wird. Nach 15 Jahren merkt Onegin, dass er sie doch liebt; sie ist aber inzwischen verheiratet. Sie hat zwar noch Gefühle für ihn, bleibt aber ihrem Ehemann treu. Eugen Onegin ist für mich wie ein Spiegel der russischen Männer – bis heute. Dieser Stolz, dieses Verträumt-Sein, dieses Selbstmitleid, kombiniert mit dem Anspruch auf sehr hohe Intellektualität. Eugen Onegin ist jemand, der sehr mit sich selbst beschäftigt ist und neben seinem Leben steht: ein Archetyp des romantischen russischen Helden. Deshalb ist die Oper nach ihm benannt, obwohl Tatjana viel präsenter ist.

Termine: Freiburg, "Eugen Onegin", Theater, Großes Haus, Premiere: Fr, 28. Sept., 19.30 Uhr; weit. Aufführungen: 5., 13., 25. Okt., 7., 16., 21. Dez., 20. Jan., 9., 20. Feb., 7., 17. März. BZ-Kartenservice Tel. 0761/4968888 sowie bz-ticket.de
von ruge
am Fr, 21. September 2018

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