"Krisen holen dich doch immer ein"

TICKET-INTERVIEW: Tom Hanks über die Unwägbarkeiten des Lebens, das Alter und Tom Tykwer.

Tom Hanks (59) zählt zu den größten Schauspielern, die das US-Kino je hervorgebracht hat – und dabei wirkt der zweifache Oscar-Preisträger ("Philadelphia", "Forrest Gump") doch stets wie der ganz normale Kerl von nebenan. Das zeigt sich auch in seinen Rollen, egal, ob er nun einen Astronauten ("Apollo 13"), Kapitän ("Captain Phillips") oder Anwalt ("Bridge of Spies") spielt – oder einen Geschäftsmann wie jetzt in "Ein Hologramm für den König". Synchronsprecher war da übrigens Joachim Tennstedt: Arne Elsholtz, geboren 1944, die deutsche Stimme des Stars über viele Jahre, ist in dieser Woche gestorben. Markus Tschiedert traf Tom Hanks in Berlin.

Ticket: Regisseur Ihres neuen Films ist wieder Tom Tykwer, mit dem Sie 2012 bereits "Cloud Atlas" drehten. Wie funktioniert das Team Tom und Tom?
Tom Hanks: Nachdem ich "Lola rennt!" gesehen hatte, wurde Tom eine Art Gott für mich, der eine beneidenswerte Karriere hingelegt hat. Dann traf ich ihn erstmals zu "Cloud Atlas" und stellte fest, dass wir uns nicht nur ähnlich anziehen, sondern auch die gleiche Leidenschaft für Filme haben, die wir mögen oder schlecht finden.
Ticket:
Was sind zum Beispiel gemeinsame Lieblingsfilme?
Hanks: "Lola rennt!" Wir sind wie College-Boys, die sich sagen, lass’ uns doch mal die bizarren Werke von Stanley Kubrick oder Lina Wertmüller ansehen. Jetzt sahen wir uns in Berlin zusammen "Son of Saul" und die zweite Staffel von "Fargo" an. Wir können leidenschaftlich über Filme philosophieren, reden nebenbei aber auch über unsere Familien und wie müde wir doch eigentlich sind.
Ticket: Kennt man Tom Hanks in Saudi-Arabien und Marokko, wo "Ein Hologramm..." vorwiegend gedreht wurde?
Hanks: Das weiß ich nicht, aber ich fragte nach, ob die Leute in Saudi-Arabien sich überhaupt Filme ansehen. Natürlich tun sie das, sie leben ja nicht auf den Mars. Sie haben keine Kinos, aber sie sehen sich alles auf DVD oder im Internet an.
Ticket: Was hat Sie persönlich an "Ein Hologramm..." interessiert?
Hanks: Eigentlich das Risiko, ob das Ganze zum Schluss einen Sinn ergibt oder nicht. Es ist ja keine glamouröse Geschichte über einen Typen, der etwas auf die Reihe bringen will, was zuerst nicht klappt, dann aber doch, und zwischendurch trifft er auf verschiedene Leute. Der Zuschauer muss um meine Figur, Alan Clay, bangen und mit ihr fühlen, nur so kann der Film funktionieren.
Ticket: Ist es nicht auch ein Film über den amerikanischen Verfall?
Hanks: Absolut! Dabei ist Clay kein Unschuldslamm, sondern mitverantwortlich für den Verfall: Für einen Deal ließ er die Chicagoer Fahrradfirma untergehen. Es geht hier um den globalen Kapitalismus und wie ganze Segmente der amerikanischen Gesellschaft verschwunden sind. Anstatt selber herzustellen, werden nur noch Dienste angeboten. Deshalb spürt Alan Clay eine Leere in sich, er weiß aber auch, dass er dafür selbst verantwortlich ist.
Ticket: Clay befindet sich in einer Lebenskrise. Inwieweit konnten Sie sich damit identifizieren?
Hanks: Ich habe vier Kinder, dazu Enkelkinder, da ist man immer besorgt. Im letzten Jahr wurde bei meiner Frau Brustkrebs diagnostiziert. Nach den heutigen Standards verlief alles gut und inzwischen ist meine Frau wieder kerngesund. Dennoch: Als sie erkrankte, nahm das die ganze Familie mit. Mit 59 könnte man denken, man müsste von Krisen verschont werden, aber sie holen dich doch immer wieder ein.
Ticket: Am 9. Juli werden Sie 60 und feiern Ihren Geburtstag wie?
Hanks: Ich will den Tag mit meiner Familie verbringen – in der Hoffnung, dass möglichst viele meiner Kinder vorbeischauen werden. Dann werde ich sagen: Du musst mich heute absolut ernst nehmen – es ist mein Geburtstag, und ich bestimme, was wir machen. Wir fangen damit an, morgens Root Beer zu trinken, danach tragen alle ihre Klamotten verkehrt herum und so weiter. Ungefähr so wird bei mir der 60. Geburtstag aussehen.
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von tsc
am Fr, 29. April 2016

Info

EIN HOLOGRAMM FÜR DEN KÖNIG

Regie: Tom Tykwer
Mit Tom Hanks, Sarita Choudhury, Alexander Black, Tom Skerritt u. a.
98 Minuten, frei ab sechs Jahren

Die Story
Alan Clay (Tom Hanks) steht kurz vor dem Ruin und soll im Auftrag seiner Firma in Saudi-Arabien eine Hologramm-Software verkaufen. Während der König auf sich warten lässt, lernt Alan Land, Leute und vor allem sich selbst besser kennen...  

Autor: bz

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