Pop

Malky im Freiburger Vorderhaus

TICKET-INTERVIEW mit Daniel Stoyanov, dem Sänger des Soul-Pop-Duos Malky.

Bei Malky wachsen Folk, Swing, Jazz, Motown-Soul, Italo-Pop und große Melodien zusammen. Der bulgarischstämmige Sänger Daniel Stoyanov und der in Ungarn geborene Multiinstrumentalist Michael Vajna leben in Leipzig und in Berlin und werden gefeiert als Deutschlands derzeit bestes Exportgut in Sachen melancholischem Pop. Olaf Neumamm sprach mit Stoyanov über seine Integration, seine Stimme und Malkys Album "Where Is Piemont?"

Ticket: "Wir sind erst noch dabei, unseren eigenen Standort zu finden", sagten Sie 2014 kurz vor der Veröffentlichung Ihres Debüts. Haben Sie ihn inzwischen gefunden?
Stoyanov: Bei dieser Platte hatten wir ein höheres Budget, das hat sich in den orchestralen Arrangements niedergeschlagen. Das ist alles live eingespielt. Endlich konnten wir uns unsere Träume erfüllen.
Ticket: Sie fühlen sich in vielen Genres zu Hause. Wie haben Sie sich all diese Stile angeeignet?
Ticket: Ist "Where Is Piemont" als Hommage an Italien zu verstehen?
Stoyanov: Mein Traum ist, dort irgendwann zu leben. Italien ist ein klassischer Sehnsuchtsort. Wir sind gerade in einer Phase, in der man sein Leben so plant, dass man glücklich ist. Aber vielleicht idealisieren wir Italien ja auch. Während der Aufnahmesessions im Winter stellten wir uns immer die Fürstenhäuser in der Toskana vor. Dabei wurde uns ganz warm ums Herz. Vieles läuft bei uns visuell, wir gucken manchmal wirklich auf so ein Bild, während wir an einem Song arbeiten.
Ticket: Welche Bilder schießen Ihnen in den Kopf, wenn Sie an Deutschland denken?
Stoyanov: Berlin ist eine hochinteressante Stadt, aber ich verbringe auch viel Zeit auf einem Dorf in Sachsen. Mir gefällt es da. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, das habe ich manchmal als ein bisschen steril empfunden. Aus den Ferienaufenthalten in meiner Heimat Bulgarien kenne ich eher Schlaglöcher und schräge Gartenzäune. Dieses Unperfekte gefiel mir als Kind. Wenn ich dann wieder zurück in Deutschland war, kam mir hier alles viel zu sauber vor. Heute schätze ich es, in einem gut organisierten Land zu leben. Aber hier herrscht auch ein ökonomischer Druck auf den Menschen. In Südeuropa wird dieser Druck neutralisiert, indem man sich das Leben gemütlich macht.
Ticket: Sie verfügen über eine außergewöhnlich eindringliche Stimme. Wie haben Sie zu Ihrem Gesangsstil gefunden?
Stoyanov: Indem ich mich an Leuten, die mir imponierten, orientierte. Zuerst waren das schnulzige R&B-Sänger wie R. Kelly, später kam die Soulsänger Sam Cooke und Luther Vandross hinzu. In den letzten Jahren habe ich weiße Blue-Eyed-Sänger für mich entdeckt und wirklich verstanden, warum Frank Sinatra der Größte ist.
Ticket: Die Single "Lampedusa" thematisiert das Flüchtlingsdrama. Wie setzt man so etwas Schreckliches in Klänge um?
Stoyanov: Der Song ist keine direkte Reaktion auf die Schreckensnachrichten aus dem Mittelmeer, wo immer wieder Menschen ertrinken. Der Satz "If you don’t want my soul/please take my body/Lampedusa" ist mir spontan eingefallen. Es ist ein Song aus der Perspektive eines Immigranten, der auf Lampedusa schaut wie auf eine Frau: "Wenn du mir gegenüber so abweisend bist, dann nimm wenigstens meinen Körper". Das ist fast schon ein One-Night-Stand-Moment. Der Song ist insgesamt leicht und zugänglich, aber dieser Satz hat eine unendliche Schwere.
Ticket: Wie schwer ist es, die richtigen Worte zu finden?
Stoyanov: Worte sind mir sehr wichtig, und ich habe sie mir bei diesem Song wohl überlegt. Über das Flüchtlingsdrama kann man aus vielen Perspektiven reden. Auf Facebook habe ich dazu ein ausführliches Statement geschrieben, um meine Haltung zu erklären. Ich bin ja selber Immigrant und war über meine Eltern von Abschiebung bedroht. Deshalb könnte ich niemals hinter der Abschiebungspolitik stehen. Trotzdem habe ich Freunde, die eine skeptische Haltung gegenüber Einwanderung haben. Das bringt mich total durcheinander, weil ich so den Menschen hinter dem Wutbürger kennenlerne. Aber ich stehe hinter diesem Song, weil er mit jedem Wort stimmt. Ich möchte, dass man diese Tragödie nicht vergisst, auch, weil ich mit ihr auf eine Art verbunden bin. Es ist auf keinen Fall ein Beitrag zu einer Debatte. Die Integration ist eine Aufgabe, die von ganz gewöhnlichen Menschen tagtäglich gelöst werden muss.

Termin: Freiburg, Vorderhaus, Sa, 21. Jan.,
21 Uhr
von onma
am Fr, 20. Januar 2017

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