Mehr als Bleistift auf Papier

Die Ausstellung "Zeichnung: Heute" des Kunstvereins Hochrhein in der Bad Säckinger Villa Berberich zeigt die Vielfalt der Kunstform.

BAD SÄCKINGEN. Weit gedehnt ist der Begriff Zeichnung in der neuen Ausstellung des Kunstvereins Hochrhein, die am Sonntag in der Villa Berberich in Bad Säckingen auf große Aufmerksamkeit des Kunstpublikums stieß. Viele Besucher nutzten die Gelegenheit, in den Skizzenbüchern zu blättern und die Arbeiten der mehr als 20 beteiligten Künstlerinnen und Künstler genau in Augenschein zu nehmen.

In dem Wort Zeichnung stecke auch das Wort Zeichen, sagte Kunstvereins-Vorsitzender Frank van Veen in seinen einführenden Betrachtungen und Überlegungen. Zeichnen sei etwas Ursprüngliches, Archaisches, habe auch eine gewisse Intimität. Der Kunstverein habe in dieser Schau ergründen wollen, was Zeichnung heute bedeute – und habe ganz erstaunliche Antworten von den Künstlern bekommen.

Beim Rundgang staunten die Vernissagegäste, welche Vielfalt an Materialität das "Zeichnen" in der Gegenwartskunst haben kann. Natürlich sind auch klassische Zeichnungen auf Papier zu entdecken, aber viele Beiträge setzen das Element des Zeichnerischen sehr unkonventionell und experimentell um. Im Erkerraum hat Eva Schmeckenbecher eine begehbare räumliche Installation aus langen Bahnen angebracht. Auf diesen Bahnen sind Fotografien, Zeichnungen, Texte, Noten, Tuscheblätter mit Klebstreifen zusammengeklebt, wobei die Streifen auch wie Linien wirken. Etwas Luftiges und eine poetische stoffliche Leichtigkeit haben die im Raum schwebenden Arbeiten mit Tusche und Bleistift auf Popeline von Krassimira Drenska, die in den Ausdrucksmitteln und der Formgebung bewusst sparsam gehalten sind. Auffallend im selben Raum sind die schmalen Bilder mit Erdpigmenten und Acryl auf Leinwand von Hama Lohrmann, auf denen Spuren gerollter Steine aus Marokko, Schottland und Madeira wie elementare Zeichen sichtbar werden. Außergewöhnlich in der Material-Sprache ist auch das skulpturale Objekt "Schriftstück" von Wulf Kirschner, der mit dem Schweißgerät reliefhafte Linien und abstrakte Botschaften auf Schiffsbaustahl "zeichnet".

Etwas Farbe in die sonst vorherrschenden dezenten Töne bringt Susanne Reimnitz mit ihren farbkräftigen und vieldeutigen Formen in Buntstift auf Papier. Auch die Neuen Medien sind vertreten: Am Computer entworfen sind die animierten 3-D-Szenen von Fabian Golz. Der Student aus Berlin lässt am Bildschirm in der Art von Computerspielen animierte Figuren agieren wie einen Boxer, der gegen eine personifizierte Uhr kämpft. Der stete Kampf gegen die Zeit: ein aktuelles Thema, das in diesem Film und zwei dazugehörigen Entwurfsstudien auf Papier sinnbildlich dargestellt wird. Eine ganze Wand füllt Eva Früh mit ihrer Serie von 117 Zeichnungen in Tusche auf Papier mit dem Titel "Haushalt". Auf diesen Blättern erscheinen in feinen, zarten, subtilen Linien alltägliche Gegenstände, Möbel, Pflanzen, Stühle, kleine Interieurs mit Einrichtungsstücken. Auf die klassische Kunst des Zeichnens versteht sich auch Marga Golz, die sich in assoziationsreichen Arbeiten auf Papier mit dem Thema "Spirale der Gewalt" auseinandersetzt und auf historische Motive in der Kunstgeschichte zurückgreift. Diese Sujets eines van Eyck, Dürer oder Tizian verwebt und verfremdet die Künstlerin mit verschiedenen Mustern.

Das Spektrum in dieser Schau ist weit gesteckt und reicht von Karin Kramers kleinen figürlichen Bildgeschichten mit Sprechblasen über Katja Wunderlings filigrane Zeichenkästen bis zu Hermfried Richters feinsinnigen realistischen Naturstudien von Bäumen und Pilzen. Auf einem offenen Büchergestell liegen zudem Skizzenbücher von 22 Mitgliedern des Vereins Bildende Kunst Lörrach aus: In Filz gebunden, laden diese Bücher dazu ein, sich in die Blätter mit Collagen, Zeichnungen, spontanen Skizzen, Texten und Fotografien zu vertiefen. Bei der Vernissage nahmen viele Besucher in dieser Lese-Ecke genussvoll und entspannt diese Skizzenbücher zur Hand: eine schöne interaktive Installation.

Die Ausstellung "Zeichung: Heute" in der Villa Berberich ist bis 2. April zu sehen, Mittwoch 17-18, Samstag 14-17, Sonntag 10-12 und 14-17 Uhr
von Roswitha Frey
am Di, 07. März 2017

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