Interview

Moritz Bleibtreu: Ein Film für die Jungs auf der Straße

"Nur Gott kann mich richten": Moritz Bleibtreu ist unter die Produzenten gegangen – mit sich in der Hauptrolle. Wie wichtig ist ihm dieser Film?

Als Schauspieler gehört er zu den Topstars des deutschen Kinos. Nun ist Moritz Bleibtreu (46) auch unter die Produzenten gegangen und realisierte mit "Nur Gott kann mich richten" einen knallharten Gangsterfilm mit sich in der Hauptrolle. Markus Tschiedert traf Bleibtreu zum Interview.

Ticket: Der Thriller "Nur Gott kann mich richten" muss für Sie ein Herzensprojekt gewesen sein, wenn Sie ihn sogar mitproduziert haben...
Bleibtreu: Was heißt Herzensprojekt? Es hat sich so ergeben. Seit "Chico" hatten Regisseur Özgür Yildirim und ich vor, mal wieder was Neues zusammen zu machen. Dann gab er mir das Drehbuch zu "Nur Gott kann mich richten", und ich dachte, das könnte so etwas wie der größere Bruder von "Chico" werden. Ich wurde von Produzent Christian Becker gefragt, den Film mit zu produzieren, weil er dachte, es ist gut, wenn man noch jemand hat, der einen Bezug zu dem hat, was man da erzählt.
Ticket: Wie fühlt man sich als Filmproduzent?
Bleibtreu: Eigentlich hatte ich nie Interesse zu produzieren. Zwar habe ich schon länger eine eigene Produktionsfirma, die aber nur dazu gedacht war, irgendwann mal meinen Regieambitionen nachgehen zu können. Aber hier dachte ich, es gibt sicherlich Dinge, bei denen ich hilfreich sein könnte.
Ticket: Inwiefern haben Sie einen Bezug zur Geschichte von "Nur Gott kann mich richten"?
Bleibtreu: Durch meinen Hintergrund, wie ich groß geworden bin, habe ich einen Bezug zu der Welt, in der die Geschichte spielt. Ich glaube, meine Affinität zum urbanen Straßenleben hat dem Film insgesamt ganz gut getan.
Ticket: Wie würden Sie die Welt beschreiben, die Sie als junger Mensch kennengelernt haben?
Bleibtreu: Das, was man soziale Brennpunkte nennen würde. In so einer Gegend bin ich in Hamburg großgeworden. Allerdings ist "Nur Gott kann mich richten" kein Sozialdrama, sondern der nächste Schritt zu "Chico", in dem die soziale Problematik der Figuren von innen beleuchtet wurde. In "Nur Gott kann mich richten" werden die Figuren jedoch nicht erklärt. Es geht eben nicht darum, soziale Missstände in Brennbezirken der Großstädte zu zeigen, sondern es ist ein Film aus der Sicht dieser Leute und damit ein ganz klassischer Genrefilm.
Ticket: Für wen ist der Film in erster Linie gedacht?
Bleibtreu: Für die Jungs auf der Straße, das sind die, an die sich dieser Film erst mal richtet. Aber natürlich wie bei jedem gut gemachten Genrefilm an alle anderen auch.
Ticket: Wie wäre es denn anders?
Bleibtreu: Es gibt eine große Tradition, wenn es darum geht, Filme über Immigranten und Leuten aus sozial schwachen Gebieten zu machen. Aber meistens entstanden diese aus der deutschen Mehrheitsperspektive und insofern auch immer ein bisschen pädagogisch. Aber diejenigen, über die da erzählt wurde, hatten nie das Gefühl, dass diese Filme für sie gemacht wurden. Es waren nur Filme über sie, aber nicht für sie.
Ticket: Wie kam denn der Titel "Nur Gott kann mich richten" zustande?
Bleibtreu: Ich weiß, der Titel ist sehr schwer und ich weiß noch, wie ich damals gesagt habe: Wollen wir das wirklich machen? Auf der anderen Seite können Titel auch so eine Art Eigendynamik bekommen. Es geht darum, warum jemand etwas tut. Aus welcher Motivation und mit welchem Hintergrund? Genau davon werden unsere Handlungen bestimmt, die oft furchtbar, aber im Kern nachvollziehbar sind. Darum geht es in vielen meiner Filme, dass es eben nicht so einfach ist, Leute zu verurteilen, bevor man nicht sehr genau hingesehen hat.
Ticket: In "Nur Gott kann mich richten" träumen alle letztlich von einem besseren Leben,, weshalb Sie das tun, was sie tun...
Bleibtreu: Genau so sieht es aus! Es ist dann nur die Frage, wie kommt es zu dieser Annahme. In diesem Fall ist es so, dass man durch das Aufwachsen in einer sozial schwachen Gegend in einer Situation ist, in der man die Welt immer aus einer Minderheit heraus wahrnimmt. Es ist ein Unterschied, ob man aus einer Mehrheit heraus die Welt zu begreifen lernt oder aus einer Minderheit heraus.
von Markus Tschiedert
am Fr, 26. Januar 2018 um 16:18 Uhr

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