Theater

Peter W. Hermanns inszeniert zwei Stücke über Extremismus im E-Werk

Peter W. Hermanns inszeniert zwei Stücke über Extremismus im Freiburger E-Werk.

Extremismus. Radikalisierung: Die Begriffe haben Konjunktur. Der renommierte Freiburger Regisseur, Schauspieler und Bühnenautor Peter W. Hermanns hat sich in gleich zwei Stücken damit befasst. Mit dem Theater Radix inszeniert er Ismael Saidis Drama "Djihad", mit seiner eigenen Theaterwerkstatt Tom Lanoyes Monolog "Gas". Beide Werke kommen nächste Woche auf die Bühne.

Die Inszenierungen, diesen Eindruck gewinnt man beim Gespräch mit Hermanns schnell, haben das Potential, das vieldiskutierte Thema von einer anderen Seite zu beleuchten. "Irgendwoher muss er das ja haben", sei der Standardsatz, den Familien, deren Kinder unter den Einfluss von Extremisten geraten, zu hören bekämen, sagt Hermanns. So geht es auch der Hauptfigur in "Gas", einer Mutter, deren Sohn zum Selbstmordattentäter wurde. "Man hat schnell das Gefühl, es können nur Monster sein, die zu so etwas in der Lage sind", beschreibt der Regisseur. "Aber es sind ganz normale Jungs, die durch unterschiedliche Umstände dazu gebracht wurden." Diese Perspektive vermisst Hermanns in den medialen Darstellungen des Themas Radikalisierung.

In "Gas" sitzt die Mutter, gespielt von Sybille Denker, in ihrer Küche. Von dort aus gibt sie Auskunft über das Leben ihres Sohnes. Über seine Geburt, seine Kindheit und Jugend, seine Talente und Eigenheiten. Laut denkt sie über ihre Beziehung nach, über die Liebe einer Mutter zu ihrem Sohn. Wie konnte er ihr allmählich abhanden kommen – gab es Hinweise auf das gewaltsame Ende? Hermanns findet, der Text des Belgiers Tom Lanoye ist eine "mutige und notwendige Auseinandersetzung mit der Frage, warum sich Jugendliche radikalisieren".

"Djihad" wurde in Zusammenarbeit mit dem Jugend- und Erwachsenentheater Radix erarbeitet. Das Stück handelt von drei Jugendlichen, die ihre Träume und Ideale aufgeben, um in einen religiös motivierten Krieg zu ziehen. Was der Inhalt nicht vermuten lässt – neben der nötigen Ernsthaftigkeit verbirgt sich auch eine Portion Humor im Text. "Das Stück wird hauptsächlich von den Figuren selbst getragen, das Bühnenbild ist spartanisch und wird durch Lichteffekte gestaltet", erklärt Hermanns. "Es gibt sieben Stationen, die die Protagonisten von Berlin bis an die syrische Grenze führen – mit jeder Station kommen sie der Wahrheit über den Krieg ein wenig näher."

Mit diesen beiden Werken hat der Regisseur (Jahrgang 1957) sich keine leichte Kost ausgesucht. Doch sind es stets aktuelle, gesellschaftspolitische Themen, die bei der jährlichen Koproduktion mit dem E-Werk besonders Jugendliche ansprechen sollen. Das Theater Radix arbeitet seit fast zehn Jahren an der Schnittstelle zwischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen und beschäftigt sich mit Stoffen, die auf dem Weg zum Erwachsenwerden eine Rolle spielen. Ob "Verrücktes Blut", "Ich Komma Saufen", "Homevideo" oder jetzt "Djihad": Alle Stücke hatten eine gute Resonanz.

Peter W. Hermanns ist überzeugt, dass es Aufgabe des Theaters ist, gesellschaftliche Fragen auf der Bühne zu diskutieren. Jugendliche für diese Art der Auseinandersetzung zu gewinnen, ist ihm und dem Theater Radix wichtig. Doch weiß er aus Gesprächen mit Lehrern und Schülern auch: "Der Schulalltag fordert heutzutage so sehr, dass für solche Dinge kaum noch Platz ist." Das diesjährige Projekt ist somit vorerst das letzte der Reihe.

Termine: "Djihad", Freiburg, E-Werk, Premiere: Mi, 11. Okt., 11 Uhr. Weitere Termine: 12., 13., 16., 17., 18. Okt., 11 Uhr. "Gas", Freiburg, E-Werk, Premiere: Do, 12. Okt., 20 Uhr, zudem: 13., 14., 16., 17., 18., Okt., 20 Uhr.
von Katja Fuchs
am Fr, 06. Oktober 2017

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