Liedermacher

Rainhard Fendrich tritt im Konzerthaus auf

TICKET-INTERVIEW mit Rainhard Fendrich über Liedermacher und Politik.

Andere Liedermacher pflegen im Alter die Selbstbetrachtung oder entdecken die Romantik neu – Rainhard Fendrich hat den umgekehrten Weg gewählt. Die Texte des 63-Jährigen dünken Texte politischer denn je. Christoph Forsthoff hat mit dem Sänger gesprochen, der in Freiburg auftritt.

Ticket: Herr Fendrich, woher beziehen Sie aktuell Ihre Themen?
Fendrich: Mich interessiert das Leben. Mich interessiert das Land und die Welt, auf der ich lebe, mich interessiert die Zukunft dieser und der nächsten Generation – und jeder Mensch, der sich mit diesen Dingen auseinandersetzt, muss dazu auch eigene Gedanken fassen. Und ich nutze mein Talent, indem ich diese Texte mit eingängigen Melodien über den Schleichweg des Ohrwurms in die Gehirne und Seelen meiner Zuhörer transportiere.
Ticket: Doch es scheint, als hätten Sie diese Auseinandersetzung in den letzten drei Jahrzehnten intensiviert, ja sogar politisiert.
Fendrich: Natürlich schreibt man mit 60 andere Texte als mit 25 und hat als Familienvater mit inzwischen auch schon erwachsenen Söhnen andere Gedanken im Kopf. Und Politik ist eben nicht der trockene Keks, den man nur mit Bier herunterspülen kann, sondern etwas, das uns alle betrifft: Es ist unser Leben. Wer sich nicht für Politik interessiert, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann einmal nicht mehr seine eigenen Interessen vertreten werden.
Ticket: Das klingt, als verstünden Sie sich eher noch als Protestsänger denn als Liedermacher.
Fendrich: Ich kenne sehr viele Sänger, die kritische Texte schreiben, sich aber gar nicht als Protestsänger sehen, denn protestieren heißt missionieren, und das Missionieren hat schon immer Unheil über die Menschheit gebracht. Ich stelle Dinge fest und kann bestenfalls einen Zeitgeist begleiten – wobei ich in keiner Weise irgendjemand anzugreifen versuche, sondern ich werfe Fragen auf.
Ticket: Die indes so manchem nicht passen.
Fendrich: Dass plötzlich viele Leute extrem aggressiv reagieren – und das betrifft jeden, der in Österreich etwas gegen Rechtspopulismus sagt –, zeigt doch nur eine große Schwäche. Die Mehrheit indes, für die ich glaube zu singen, bedient sich einer anderen Sprache. Insofern sehe ich mich als Begleiter einer Bewegung.
Ticket: Sie beziehen Stellung – etwas, dass man bei immer mehr, nicht zuletzt jüngeren Künstlern vermisst. Kann man sich als Künstler eine Haltung nicht mehr leisten?
Fendrich: In den 70ern und frühen 80ern war es das Publikum, das ganz einfach verlangt hat, dass man Stellung bezieht. Liedermacher mit einer politischen Einstellung wie Konstantin Wecker hätten nie ins Radio kommen können, wenn es nicht das Publikum gegeben hätte, das diese Sprachrohre seiner eigenen Gesinnung im Radio verlangt hat. Inwieweit sich heute eine Entpolitisierung im Publikum breit gemacht hat, vermag ich nicht zu sagen – doch ich komme aus einer anderen Zeit und kann nicht anders.

Termin: Freiburg, Konzerthaus, Sa, 22. Sept., 20 Uhr
von vfcg
am Fr, 21. September 2018

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