Mikroabenteuer

Raus aus der Komfortzone

Viel vor dem Computer sitzen, werktags einen anstrengenden Job schmeißen: Diesem Trott kann man relativ einfach entfliehen – mit einem Mikroabenteuer. Was hat es damit auf sich?

Es hört sich simpel an: Einfach spontan aufs Rad setzen und losfahren. Ohne Ziel und ohne Plan. Bewusst aus dem Alltag ausbrechen und etwas unternehmen, was man sonst nicht machen würde: Manche nennen so etwas Mikroabenteuer. Dabei geht es nicht darum, die nächste, minuziös geplante Bergwanderung in Angriff zu nehmen, sondern um den Sturz ins Ungewisse, mitten in die Natur.

So war der Brite Alastair Humphreys einer der ersten, die dem Freizeitabenteuer einen Namen gaben: Microadventure. Er schnappte sich einen Freund und wanderte zum Beispiel ein Mal um den Autobahnring M25, der Großbritanniens Hauptstadt London umgibt.

"Jeder hat seine eigene Definition von Mikroabenteuer", sagt Christo Foerster. Alles von Wandern über Paddeln bis Radfahren falle darunter. Hauptsache das Abenteuer durchbreche das alltägliche Muster, erklärt der 42-Jährige, der als Motivationstrainer und Autor in Hamburg lebt. Es gehe darum, etwas draußen zu machen. Und damit ist stilles Genießen gemeint – und keine lärmende Partyhordenaktion.



Von Deutschland nach Dänemark schwimmen

"Kurz, einfach, lokal, günstig und trotzdem aufregend", so fasst Christo Foerster das Mikroabenteuer zusammen. Es gebe tausende Möglichkeiten dafür, etwas zu tun, was man noch nie "auf dem Zettel" hatte – wie zum Beispiel den höchsten Berg des eigenen Bundeslandes erklimmen. Eine Tour, die man auch in einem Tag schaffen könne. Foerster selbst schwamm unter anderem mit einem Freund von Deutschland nach Dänemark,
"Je schlechter die Ausrüstung ist, desto größer ist das Abenteuer" Motivationstrainer Christo Foerster
an einer Stelle, an der die Länder nur einen guten Kilometer auseinanderliegen.

Für ein Mikroabenteuer brauche es nicht immer die beste Ausrüstung. Im Gegenteil: "Je schlechter die Ausrüstung ist, desto größer ist das Abenteuer", betont der Experte.



Neues hält das Gehirn fit

Für Körper und Geist könne so etwas sehr gesund sein. Wandern und Spazieren würden für merkliche Entspannung bei den Abenteurern sorgen. Denn dabei sinke das Stresshormon Kortisol, erklärt die Münchener Psychologin Anja Kluge. Außerdem tue dem Körper die Bewegung gut. "Alles ist besser als am Computer zu sitzen", sagt Kluge. Ein Mikroabenteuer bedeute, etwas Neues zu machen. "Das ist gut, damit das Gehirn flexibel bleibt", erläutert die Expertin weiter. Das Gehirn baue sich jede Nacht um und verstärke das, was man am Tag gebraucht hat, baue ab, was man nicht gebraucht hat. "Wenn man ab und zu etwas Neues macht, muss das Gehirn neue Verbindungen schaffen. Das ist auch im Alter gut, um flexibel zu bleiben", sagt Kluge.



Rücksicht im Wald

Die eigentlich simple Idee hat in Deutschland Tausende Anhänger gefunden. Online inspirieren sich Mikroabenteurer mit Tipps für Trips und Kurzausflüge. Diese Menschen kommen nach Christo Foersters Einschätzung überwiegend aus dem urbanen Raum – und sie haben eine Sehnsucht nach "draußen".

Statt nach acht Stunden im Büro wieder nach Hause zu fahren, kann das Mikroabenteuer auch nach dem Feierabend starten – zum Beispiel mit einer Übernachtung im Wald. Wer sein Mikroabenteuer dorthin verlegt, sollte trotz aller Erlebnislust aber die Regeln beachten. Eine Nacht unter freiem Himmel zu schlafen ist zwar grundsätzlich möglich. Will man jedoch ein Zelt aufbauen, muss man sich vorher informieren. Denn in Wäldern und Naturschutzgebieten sei das Zelten verboten, erklärt Rechtsanwalt Swen Walentowski.

Auch für Lagerfeuer gibt es Einschränkungen: "Feuer ist im Wald und bis zu einem Abstand von 100 Metern vom Waldrand grundsätzlich nur auf speziell gekennzeichneten Flächen erlaubt", erklärt der Jurist. Müll zurücklassen ist in der freien Natur ebenfalls verboten, damit handelt sich der Übeltäter ein Bußgeld ein.

Folgt man Foersters Auffassung von Mikroabenteuern, sollte das aber ohnehin nicht vorkommen. Es gilt, den Naturschutz zu beachten und "alles wieder so zu verlassen, wie ich es vorgefunden habe."
Raus und Machen Wie wir von Träumern zu Abenteurern werden, Christo Foerster, Verlag Harper Collins, 278 Seiten, 14,99 Euro

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von Johannes Neudecker (dpa)
am Fr, 29. Mai 2020 um 15:59 Uhr

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