Ticket-Interview

Regisseur Fatih Akin über das, was er durch den neuen Film „Tschick“ gelernt hat

TICKET-INTERVIEW: Regisseur Fatih Akin über das, was er durch den neuen Film "Tschick" gelernt hat.

Er gab 1998 sein Regiedebüt mit dem Gangsterfilm "Kurz und schmerzlos". Danach drehte Fatih Akin Komödien wie "Im Juli" und "Solino", aber auch Dramen wie "Gegen die Wand" und "The Cut", in denen er sich mit der türkischen Kultur auseinandersetzte. Er wurde 1973 als Sohn türkischer Einwanderer in Hamburg geboren und hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Mit der Verfilmung des Bestsellers "Tschick" von Wolfgang Herrndorfs erfüllte sich Akin einen Traum. Markus Tschiedert sprach mit ihm.

Ticket: Nachdem Sie mit "The Cut" zuletzt ein düsteres Drama drehten, wenden Sie sich mit "Tschick" wieder der leichten Komödie zu. Brauchten Sie diesen Wandel?
Akin: Ursprünglich arbeitete ich an einem anderen Film, der aber erst mal nicht zustande kam. Damit war ich arbeitslos und fragte mich, was mache ich jetzt. Gehe ich ans Theater oder unterrichte ich an der Uni? Ich musste Geld verdienen, dann kam das Angebot, "Tschick" zu machen. Daran war ich schon 2012 interessiert, nachdem ich das Buch gelesen hatte.
Ticket: Was reizte Sie?
Akin: Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als ich selbst 14 Jahre alt war. Da hatte mir ein Mädchen so sehr das Herz gebrochen, dass das bis heute nachhallt. Das ist also so ähnlich wie in dem Roman, in dem es um einen Außenseiter geht, der nicht akzeptiert wird und unsterblich in ein Mädchen in seiner Klasse verliebt ist, die nichts von ihm will. Dann muss er auf große Reise gehen, und am Ende will sie was von ihm. Aber da will er nicht mehr, denn das Leben weiß es besser, und er hat das gelernt. Das konnte ich am meisten nachfühlen, mehr als das Freiheitsgefühl und die Reise in den Osten Deutschlands, worum es im Roman ja auch geht.
Ticket: Sie hatten nur sieben Wochen Zeit, sich auf die Dreharbeiten zu "Tschick" vorzubereiten.
Akin: Das war schon etwas mörderisch, und ich fragte mich, kann man das, wenn das Drehbuch noch umgeschrieben werden muss und ich die Leute am Set nicht kenne? Dann sagte ich mir, Moment mal, du bist 42, und du hast "Im Juli" gedreht. Du weißt also, was es heißt, auf der Straße zu drehen. Du hast "Solino" gedreht und weißt ebenso, wie es ist, mit Kindern zu drehen. Ich habe also die Erfahrungen, also mache ich das jetzt auch.
Ticket: Das waren Komödien, doch seit "Gegen die Wand" verbindet man Sie eher mit düsteren Stoffen.
Akin: Solange die Leute in den Film gehen, ist mir das völlig egal, wie über mich gedacht wird. Ich selbst lache viel und bin umgeben von Leuten mit sehr viel Humor wie etwa meine Frau. Davon abgesehen, gehört aber zur Komödie auch immer die Tragödie. Was ich durch "Tschick" gelernt habe, ist, dass ich gern mehr Regisseur wäre und nicht nur Filmemacher.
Ticket: Wie haben Sie die Darsteller für die beiden Jungs gefunden?
Akin: Es gab, schon bevor ich an Bord kam, ein monatelanges Casting und die Frage, wer Maik und Tschick spielen soll, wurde immer brenzliger. Erst eine Woche vor dem Dreh hatte ich endlich beide, weil ich immer nach einer visuellen Kombination gesucht habe. Ich dachte dabei an Don Quijote und Sancho Panza oder Bud Spencer und Terence Hill. Danach griff ich mir die Kids und sagte, hört zu, ich bin keine Vaterfigur, kein Vorbild und auch nicht euer guter Freund, sondern ich bin euer Regisseur. Ich werde saufen, rauchen, fluchen und mich nicht zusammenreißen, nur weil ihr 14 seid. Das fanden die beiden voll gut.
Ticket: Nun haben Sie durch die Dreharbeiten den deutschen Osten kennengelernt. Mit welchen Vorurteilen sind Sie ans Werk gegangen?
Akin: Als Hamburger Wessi mit türkischem Hintergrund hatte ich natürlich das Vorurteil, dass im Osten alle Nazis sind. Wir drehten dann in Halle, Merseburg, Quedlinburg, Magdeburg und in der Lausitz. Es war so geil, das zu entdecken und festzustellen, dass ich ein völlig falsches Bild davon hatte. Dieses Deutschland war mir wegen der Herzlichkeit und Improvisationstalent plötzlich viel näher.
von tsc
am Fr, 16. September 2016

Info

Tschick

Regie: Fatih Akin
Mit Tristan Göbel, Anand Batbileg, Mercedes Müller, Uwe Bohm, Alexander Scheer und anderen
94 Minuten, frei ab 6 Jahren
Die Story
In der Schule ist Maik (Tristan Göbel) ein Außenseiter, aber unsterblich in das schönste Mädchen verliebt. Mit Tschick (Anand Batbileg) kommt ein Neuer in die Klasse und setzt sich ausgerechnet neben Maik. Als die Sommerferien beginnen, werden sie jedoch Freunde und reißen mit einem geklauten Auto aus...  

Autor: bz

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