Schwarzwald

Puderzucker bei Vollmond: eine nächtliche Skitour am Feldberg

Eine nächtliche Skitour auf den Feldberg ist ein kleines Abenteuer – vor allem, wenn es frisch geschneit hat.

Eine Münze nimmt uns die Entscheidung ab. Zahl heißt, wir bleiben zu Hause, wir sind vernünftig, morgen ist ein normaler Arbeitstag. Kopf heißt, raus in die Kälte, Abenteuer, wir sind doch noch jung, spontane Vollmond-Skitour auf den Feldberg. In der Luft dreht die Münze ein paar Pirouetten um sich selbst, dann landet sie in der Hand meines Mitbewohners. Kopf.

Wortlos geht jeder in sein Zimmer und sucht seine Tourenausrüstung zusammen. Dieses Mal gehen wir auf keinen Fall ohne Pieps, Sonde und Schaufel. In den letzten 24 Stunden hat es ordentlich geschneit. Das steigert unsere Chancen auf traumhafte Tiefschneeabfahrten. Und alptraumhafte Lawinenabgänge. Wir sind aufgekratzt. Dass wir die Tour im Dunkeln machen wollen, erhöht den Nervenkitzel.

Weit weg von Flutlicht und Pistenzirkus

Während wir durchs nächtliche Höllental fahren, laden wir unsere Stirnlampen im Zigarettenanzünder des Autos auf. Bloß nachher nicht im Dunkeln stehen. In Hinterzarten biegen wir rechts Richtung Rinken ab. Die Straße ist schmal, ziemlich leitplankenlos und schneebedeckt. Für den Notfall haben wir Ketten im Auto. Das fühlt sich gut an, auch wenn wir nicht genau wissen, wie man sie montiert. Vorsichtig rutschen wir am Windeckkopflift vorbei. Dort kann man an dem Abend unter Scheinwerferlicht Skifahren. Aber das interessiert uns nicht. Wir wollen keinen Pistenzirkus. Wir wollen uns unsere Abfahrten verdienen. Wir wollen nur das hinunterfahren, was wir vorher hinaufgelaufen sind. Nach dem Windeckkopflift umfängt uns die Einsamkeit des Schwarzwalds.

Am Rinken parken wir das Auto. Als wir aussteigen, merken wir, dass die Sorge um unsere Stirnlampen umsonst war. Der Vollmond leuchtet so hell, dass wir auf sie verzichten können. Die Nacht ist sternenklar.

Wir fellen auf, schalten unsere Lawinensuchgeräte ein und beginnen unsere Skitour. Schnee und Nacht schlucken jedes Geräusch. Was bleibt, sind das Gleiten unserer Felle auf dem Schnee und das Klacken, wenn Skischuh auf Steighilfe trifft. Viele Höhenmeter schaffen wir nicht, bevor wir das erste Mal anhalten müssen, um diese atemberaubende Kulisse mit Stativ und Langzeitbelichtung zu fotografieren: Unter uns liegen schwarze Tannen, vor uns eine unberührte weiße Fläche, die der Schein des Vollmondes verführerisch anstrahlt, in der Ferne schimmern die erleuchteten Fenster der Baldenweger Hütte.

Lawinen im überschaubaren Schwarzwald?

Nachts auf ein einsames Berghäuschen zuzusteuern ist ein tolles Gefühl. Irgendwie archaisch. Und beruhigend, wenn im Hinterkopf die erhöhte Lawinengefahr spukt. Sollte sich auf unserem Weg auf den Baldenweger Buck oberhalb eine Wechte lösen und wir verschüttet werden, dann wäre, wer auch immer gerade in der Baldenweger Hütte gemütlich isst und trinkt, ein potentieller Retter.

Vergangenes Jahr hat es Freunde von uns an eben dieser Hangseite erwischt. Eine Lawine? Im Schwarzwald? Am Baldenweger Buck? Wir konnten es damals kaum glauben. Bis dahin waren wir im Schwarzwald selten mit LVS-Geräten unterwegs. In den Alpen immer. Aber im überschaubaren Schwarzwald?

Heute Nacht sind wir gerüstet. Als wir an der Hütte vorbeigehen, öffnet sich die Tür. Zwei Männer treten heraus. Wir grüßen. Sie grüßen. An uns nächtlichen Skitourengehern finden sie nichts Besonderes.

Oberhalb der Hütte halten wir uns rechts. Bei dem Neuschnee wollen wir nicht im offenen Hang aufsteigen. Wir hangeln uns am Waldrand entlang. Plötzlich sind die Sterne verschwunden. Nebel zieht auf. Schnell und dicht. Die Lichter der Baldenweger Hütte unter uns werden schwächer. Bald sieht man sie gar nicht mehr. Der Wind nimmt zu. Als wir auf dem Kamm angekommen sind, bläst er streng und ungemütlich, wie so häufig auf dem Feldberg-Plateau.

Leichter, tiefer Puderzucker

Zum Abfellen brauchen wir nun doch das Licht unserer Stirnlampen. Hinter einer Tanne suchen wir Schutz vor dem Wind. Aber das zerzauste Bäumchen kann nicht viel ausrichten. Die ersten Meter der Abfahrt sind knifflig. Ist die Kopflampe eingeschaltet, blendet uns die Reflexion des Nebels. Schalten wir sie aus, stehen wir ohne den Schein des nun verschleierten Mondes im Dunkeln.

Aber der Schnee ist traumhaft. Leichter, tiefer Puderzucker. Juchzend und johlend sausen wir bergab. Und danken der Münze, die uns auf diese Nachtskitour geschickt hat.
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von Charlotte Janz
am Fr, 03. März 2017 um 18:56 Uhr

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