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Eisdiele Giacomel

Träumen vom Süden

  • Fr, 27. November 2009, 11:36 Uhr

Der italienische Gelatieri Angelo Giacomel ließ in den Fünfziger Jahren viele Deutsche vom sonnigen Süden träumen. Seine Eisdiele stand bis 1989 im Hamburger Universitätsviertel. Heute ist sie ein Schmuckstück im Haus der Geschichte.

Schuld war nur der Bossa Nova", tönt es aus der Musikbox. Filme und Schlager wecken die Sehnsucht nach Süden, Strand und Meer. Das Land, in dem die Zitronen blühen, ist das Ziel der Träume: Bella Italia.

Wer sich die Auslandsreise nicht leisten kann – und das sind Anfang der sechziger Jahre die meisten Deutschen –, kommt dem Traum vom warmen, sonnigen Süden in der italienischen Eisdiele wenigstens ein kleines Stückchen näher. Kalorien? Ja bitte! Zucker und Schlagsahne sind nach den Hungerjahren ein Zeichen für Wohlstand.

Angelo Giacomel und sein kleines Familienunternehmen profitieren von den Träumen der Deutschen. Der Eiskonditor aus der norditalienischen Provinz Belluno ist Mitte 50, als er 1955 in Hamburg eine Eisdiele eröffnet.

Angelo spricht nur wenige Brocken Deutsch; sein Sohn Aurelio, der zweisprachig aufwächst, dolmetscht für ihn. Die Giacomels führen einen Familienbetrieb: Im Keller unter der Eisdiele stellen der Patron und Aurelio das Speiseeis selbst her, die Rezepte werden wie ein Familiengeheimnis gehütet. Im Parterre bedienen Mutter, Tochter, Sohn, Neffen und Nichten die Gäste – zwischen März und Oktober täglich von 10 bis 22 Uhr. Im ersten Obergeschoss ist die Wohnung. Eine Kugel Eis kostet zehn Pfennig, an sonnigen Tagen verkaufen die Giacomels bis zu 30 Liter. Das Geschäft im Hamburger Universitätsviertel floriert – dank der deutschen Kundschaft. Die Giacomels sind Saisonarbeiter, im Herbst kehren sie in ihre Heimat zurück, um im nächsten Frühjahr erneut gen Norden zu ziehen. Keiner aus der Familie will für immer in Deutschland bleiben. 1989, nach mehr als 30 Jahren Arbeit in Hamburg, kehren sie endgültig nach Italien zurück. Einen Nachfolger finden sie nicht.

Da kommt die Anzeige des Hauses der Geschichte in einer Sammlerzeitschrift gerade recht: "Eiscafé, Eisdiele, Milchbar der fünfziger Jahre gesucht. Guter Originalzustand erwünscht." Die Eisdiele wird zum Museumsobjekt: Der Restaurator stellt den Originalzustand wieder her. Er entfernt den neuen Lackanstrich, legt das grüne Resopal frei, ergänzt fehlende Teile – die Eisdiele ist eines der Schmuckstücke des Museums.

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