Diese Weite, dieser Blick! Uns zu Füßen liegt Olsberg im Violental, eingebettet in eine sanfte Hügellandschaft mit Weiden, Ackerflächen, Obstplantagen und Reben. Kühe grasen, auf den Bergkuppen zeigt sich der Wald leicht herbstlich mit einer Spur gelb im Blattwerk und im Norden dominiert der Schwarzwälder Belchen, angestrahlt von der Sonne, wie ein Solitär die ganze Szenerie. Einatmen, ausatmen, es riecht nach Landluft und Herbst.

Zugegeben, der Anfang unserer Wanderung von Rheinfelden über Olsberg nach Kaiseraugst war mühsam. Er führte wenig romantisch vom Bahnhof aus (immer der gelben Raute nach) Richtung Süden direkt über die A 3. Unten brausten Autos, oben britzelte die Hochspannungsleitung. Doch wer sich auf historischen römisch-christlichen Spuren bewegt, einen beträchtlichen Teil Geschichte unter die Füße nehmen will, beginnt nun mal in der Moderne. Erst später auf einem schmalen Pfad durch hochgewachsenen Buchenwald, mit zunehmender Höhe, verschwand das Geräusch und stellte sich ein entspanntes Wandergefühl ein.


Nun stehen wir auf dem Blauenrain, mit seinen 464 Metern fast schon der Gipfel der heutigen Tour, staunen und schauen: Im Westen liegt hinter saftig-grünen Hügeln Basel schornsteinrauchend im Dunst, hebt sich der 178 Meter hohe Roche-Turm weiß gegen die anrückende graue Schlechtwetterfront ab. Noch scheint die Sonne über Olsberg und den Ausläufern des Tafeljuras. Uns zu Füßen liegt die Sennweide, wo der Dompteur Jürg Jenny in einem Raubtiergehege auf seinem Hof Tiger beherbergt und sonntags eine öffentliche Dressurstunde abhält (http://www.infra.ch/jenny Die Kühe auf den Weiden daneben scheint’s nicht zu beeindrucken, sie grasen friedlich glockenbimmelnd vor sich hin, während wir unsere Olsberg-Runde vollenden und ins Dorf absteigen.

Eigentlich ist Olsberg zweigeteilt: Durch das Dorf fließt der Violenbach, der gleichzeitig die Kantonsgrenze ist. Das "Ländli", der kleinere Dorfteil im Süden, gehört zur Gemeinde Arisdorf im Kanton Basel-Landschaft. Der nördliche Dorfteil am Fuße des Schönenbergs liegt im Aargau. Mit der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes hat das Stift Olsberg zu tun, das sich nun ganz idyllisch vor uns auftut, mit schmucker Kirche und einem Biobauernhof. Den gab es im Jahr 1236 natürlich noch nicht, als das Zisterzienserinnenkloster gegründet wurde. Seit 1803 ist der Klosterbetrieb eingestellt und heutzutage ist das Stift ein Schulheim samt Internat. Wir lassen das grüne Tal hinter uns – tschüss Stille, guten Tag Industrie.

Nachdem wir Giebenach und Moosmatt durchwandert haben, steht eine weitere Autobahnüberquerung Richtung Augst an. Wir verlassen die Wanderroute, nehmen die erste Autobahnbrücke – und staunen: Schon dort oben sind wir mitten in der Römerstadt Augusta Raurica angekommen, denn in der Trasse, wo heute die Autos entlangdonnern, befand sich einst ein riesiges, römisches Hotel.

Mit jedem weiteren Schritt eröffnet sich uns ein beeindruckendes 3-D-Freilichtmuseum, das sich über ganz Augst verteilt, mit Bauten und Zeugnissen aus einer anderen Welt. Wir tauchen ein in eine Zeit, die im 15. Jahrhundert vor Christus mit dem Bau des Koloniehauptortes begann, bestaunen das antike Theater (das besterhaltenste nördlich der Alpen), den Tempel, das kostenpflichtige Museum samt nachgebildetem Römerhaus und Silberschatz. Unter der Erde geht es einen knapp 100 Meter langen, niedrigen, rekonstruierten Abwasserkanal entlang. Wir bewundern die römische Badekultur in den Rheinthermen – und könnten noch ewig bleiben.

Zurück in die Gegenwart geht’s per Schiff, das in Kaiseraugst anlegt und uns gemütlich nach Rheinfelden zurückschaukelt, mit Blick auf die schöne, historische Altstadt und in Gedanken bei einem Gläschen Wein, das wir dort genießen werden. Das versöhnt dann doch wieder mit der heutigen Zeit. Denn den Wein brachten die Römer zwar mit. Aber damals war er ein ziemlich saures Gesöff. Salute!

von Anita Fertl