Sabaton in Basel

Warum Heavy Metal lebendiger ist denn je

Vieles ist wie früher – nur besser: Heavy Metal ist viel mehr als laute Musik. Die Szene ist quicklebendig und auch wirtschaftlich relevant – und sie zieht immer mehr Frauen und Teenager an.

Für viele Menschen mag das erstaunlich sein: Da spielt eine Band in der größten Halle der Region, deren Name nicht geläufig klingt: Sabaton. Dabei stand das jüngste Album des Quintetts auf Platz 1 der Charts in der Schweiz und in seiner schwedischen Heimat, in Deutschland auf Platz 2. Klingt nach Mainstream, ist es aber nicht. Am Beispiel des Aufritts von Sabaton am Freitag in Basel lässt sich erklären, warum Heavy Metal ungebrochen relevant ist.

Jünger, weiblicher
Die Musik ist vielfach unverändert geblieben. Doch die Szene hat sich gewandelt seit den Achtzigern, die als Vorzeige-Jahrzehnt des Schwermetalls gelten. Damals bestand ein Heavy-Metal-Publikum fast nur aus Männern. Viele von diesen pilgern heute immer noch auf die Konzerte, teils zu denselben – ebenfalls leicht ergrauten – Musikern. Und da stehen sie plötzlich neben Metal-Mädels, die Ende der Achtziger noch nicht geboren waren. Das zeigt: Metal ist jünger und weiblicher geworden. Gerade hippe, mittelalte Gruppen wie Amon Amarth und Sabaton, aber auch Dinosaurier wie Iron Maiden haben viele, oft weibliche Fans im Teenager-Alter. Und auch auf der Bühne stehen immer mehr Frauen und noch mehr junge Newcomer. Doch Jahresringe sind im Metal-Biotop ohnehin unbedeutend. Es geht um die Musik. Sie schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das Altersgrenzen sprengt.

Wertbewahrend und erfolgreich
Metalfans zählen zu den Traditionalisten unter den Musikliebhabern. Auch deshalb feiern etliche Vertreter des Genres Chart-Erfolge – und zwar nicht nur Größen wie Metallica und Iron Maiden. Auf Platz 1 der deutschen CD-Hitliste standen zuletzt auch Amon Amarth, Powerwolf oder Avantasia. Vor zehn Jahren undenkbar. Und das liegt nicht etwa daran, dass im Metal mehr Alben verkaufen werden als früher; auch hier brummt das digitale Geschäft. Aber eben nicht so sehr wie etwa im Rock, Pop und HipHop. Heavy Metal ist wertbewahrend im besten Wortsinn. CD statt MP3, komplette Alben statt einzelner Songs, Gesamtkunstwerke mit Booklets und Textblättern statt schnöder Downloads – das gehört für viele Fans dazu. Merchandising boomt, Live-Konzerte sowieso, sogar gedruckte Magazine sind weiter sehr gefragt. Heavy Metal ist ein relevantes Feld für die Musikindustrie, weil vieles noch so ist wie früher. Oder sogar noch besser.

Melodisch und pompös
Schlager mit Stromgitarren: Wer Sabaton-Fans ärgern möchte, sagt so etwas. Und meint die eingängigen Melodien, die simplen Songstrukturen der Schweden. Das ist unfair, denn ganz so trivial ist die Musik nicht. Aber die Schlager-Häme verdeutlicht: Metal ist melodisch – oft viel, viel melodischer als Außenstehende denken. Geknüppel und Gebrüll gibt es zwar auch; die Szene ist vielschichtig. So sind Thrash Metal, Black Metal, Death Metal oder auch Melodic Death Metal – ja, das gibt es wirklich – ohne Vorkenntnisse nicht sonderlich bekömmlich. Ganz anders verhält es sich mit Symphonic Metal (viel orchestraler Pomp, opernhafter Gesang), Folk Metal (Bezüge zu – meist nordischer – Folklore), Progressive Metal (komplexe Strukturen, vertrackte Rhythmen) oder hymnenhaftem Power Metal, wie Sabaton ihn spielen. Dabei zählt, anders als in den Achtzigern, das Keyboard längst zur Standardbesetzung. Die Finnen von Ensiferum und die Südbadener von Finsterforst haben zudem ein Akkordeon auf der Bühne. Eluveitie – genreübergreifend die international erfolgreichsten Schweizer Künstler unserer Zeit – kommen unter anderem mit Geigen, Flöten und Harfen daher.

Knallbunt überzeichnend
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung verglich ein Powerwolf-Konzert einst mit einer Wrestling-Show: durchinszeniert, mit Klischees beladen, vollkommen überzeichnet. Irgendwie wissen das auch alle – zelebrieren es aber todernst, einerseits. Und mit einer großen Portion Selbstironie andererseits. So ähnlich wird es sich verhalten, wenn Sabaton am Freitag in der St. Jakobshalle auftreten, mit knallbunten Scheinwerfern, Feuerfontänen, Explosionen und großen Posen. Und natürlich: laut. Als Special Guest fungieren die Genre-Vorreiter von Accept, gegründet 1971 in Solingen, normalerweise Headliner-Shows gewohnt – und auch so eine Band, auf die sich 16- und 60-Jährige einigen können.

Martialisch friedfertig
Metal lebt von Gegensätzlichkeit. So ist es auch bei Sabaton. Das textliche Monothema ist die Militärgeschichte, ausgewogen und historisch fundiert übrigens: Von der – damals noch nicht nationalistischen – polnischen Regierung wurden die Band 2009 zu einem Staatsakt eingeladen, weil ihr Lied "40-1" die Schlacht von Wizna würdigt, in der polnische Truppen die zahlenmäßig weithin überlegene deutsche Wehrmacht vorübergehend stoppten. Ganz im Gegensatz zum kriegerischen Sabaton-Image sind aber sowohl die Musiker als auch ihr Publikum äußerst friedliebend; Patronengurte wurden schon in den Achtzigern von Kriegsdienstverweigerern getragen. Und beim Wacken-Festival mit 80 000 Besuchern hat die Polizei gemeinhin weniger Arbeit als bei einem Sportfest im Schwarzwald.

Unpolitisch, weltumspannend
Wenn die gemeinsame Liebe zur Musik das Wichtigste ist und der Nonkonformismus das Verbindende, dann lehrt das Toleranz, dann spielen Weltanschauungen, Lebensstile oder Hautfarben eine untergeordnete Rolle. Deshalb gilt die Metalszene als ausgesprochen tolerant – und gibt sich übrigens betont unpolitisch. Weltumspannend ist Heavy Metal sowieso. Zentrale Märkte für viele Bands sind zwar Nord-, Mittel- und Osteuropa sowie Südamerika und Japan. Doch eine Tournee von Iron Maiden führt stets über alle Erdteile, Metallica haben einst – wenn auch eher als PR-Gag – in der Antarktis gespielt. Tyr, eine international geachtete Band von den Färöer-Inseln, singt in der Landessprache, die finnischen Texte von Moonsorrow werden auch in Kolumbien mitgesungen, Powerwolf experimentieren mit lateinischen Passagen und Eluveitie bringen Altkeltisch in die Konzerthallen von Indien und Bangladesch. Es gibt nicht viele Musikgattungen, die solche Brücken bauen.
Konzerte in der Region

Sabaton: Basel, St. Jakobshalle, Fr, 3. Feb., 19 Uhr
Amon Amarth: Pratteln, Z7, Mo, 27. März, 19. Uhr
Ensiferum, Arch Enemy und andere: Colmar, Sa, 1. April, Parc des Expositions, 15.30 Uhr.

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von kh
am Fr, 03. Februar 2017 um 00:00 Uhr

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