Küchenschätze aus der Natur

Was es beim Sammeln von Wildkräutern zu beachten gilt

Man findet sie überall, auf Wiesen, am Waldrand und im eigenen Garten. Wildkräuter wie Gänseblümchen, Löwenzahn, Brennnessel und Wilder Majoran sind Heilmittel und bereichern unsere Küche.

Bärbel Höfflin-Rock wurde die Liebe zur Natur quasi in die Wiege gelegt. In Bötzingen am Kaiserstuhl aufgewachsen, haben ihr bereits Mutter und Großmutter das Wissen über Kräuter vermittelt. "Schon als Kinder pflückten wir Gänseblümchen für Kränzchen und probierten, wie die Blüten schmecken. Im Rebberg sammelten wir wilden Feldsalat und am Gründonnerstag gab es immer Spiegelei mit Wildkräutergemüse aus Brennnesselblättern und Giersch", erinnert sich Bärbel Höfflin-Rock.

Als Diplomgeografin, die jahrelang in der Umweltforschung arbeitete, war ihr Zugang zu Wildpflanzen und Kräutern jedoch zunächst ein botanischer. Schon damals beeindruckte sie die Vielfalt der Pflanzen in der Region. Später – in der Familienphase – bildete sich Höfflin-Rock zur Kräuterpädagogin und Gästeführerin weiter. "Ich entdeckte, was alles in den Wildkräutern steckt. Man kann sie riechen, schmecken, mit ihnen kochen, Tee davon zubereiten und sie als Heilmittel einsetzen", sagt Höfflin-Rock, die heute in Freiburg-Waltershofen am Tuniberg lebt.

Unbekannte Gaumenfreuden

Wildkräuter würden neue Geschmackserlebnisse vermitteln. Sie enthielten Bitterstoffe und ätherische Öle, die gut tun. "In Gemüsen und Salaten, die man kaufen kann, wurden diese Eigenschaften oft weggezüchtet", sagt die Winzerin und Kräuterexpertin und verweist auf Bitterstoffe in Löwenzahn, die Verdauung und Stoffwechsel anregen, auf Senföle in Wiesen- und Gartenschaumkraut, die durchblutungsfördernd sind und gut für die Atemwege.

Die Kräfte des Löwenzahns

Bei einem Spaziergang durch den Tuniberg sticht sie auf ungespritzten, naturbelassenen Stellen Löwenzahn aus und bereitet anschließend einen Salat aus der Pflanze mit den großen sonnengelben Blüten zu. Die Kräuterköchin schneidet die Wurzeln ab, kann anschließend Blätter, Knospen und Blüten verlesen, dann werden Blätter und Blüten in warmem Wasser gewaschen. Bloß die Stängel werden nicht verwendet.

"Manche sagen, sie seien doch keine Kuh, wenn die Rede von Löwenzahnsalat ist. Dabei ist er sehr gesund, denn der Vitamin C-Gehalt des Löwenzahns übertrifft den von Kultursalat wie Kopfsalat bei weitem", sagt Bärbel Höfflin-Rock.

Für den Löwenzahnsalat dünstet sie Zwiebeln in geschmacksneutralem Öl oder noch besser in Walnussöl vom Kaiserstuhl an, lässt Speckwürfel aus, gibt den Löwenzahn in eine große Schüssel, würzt mit Salz und Essig und gießt die heiße Speck-Öl-Mischung darüber. Der Salat fällt nicht zusammen wie ein Kopfsalat, er darf warm serviert werden, so die Köchin.

Was es beim Sammeln zu beachten gilt:

Eines ist der Kräuterpädagogin ganz wichtig: Dass man nur die Kräuter in der Küche verwendet, die man genau identifizieren kann. Man sammelt nicht an stark begangenen Wegen und entlang landwirtschaftlicher Flächen, sondern abseits der Hauptwege. "Viele Kräuter kann man auch im eigenen Garte ansiedeln oder in Töpfe pflanzen", empfiehlt Höfflin-Rock.

Mit anderen Kräuterfrauen hat sie vor mehr als zehn Jahren den Verein Bauerngarten- und Wildkräuterland Baden gegründet und engagiert sich im Vorstand des Vereins. Dieser ist ein Netzwerk aus mehr als 270 Kräuterkundigen, die ihr Wissen austauschen und weitergeben, Wildkräuterführungen, Exkursionen und Kochkurse veranstalten.
Rezept: Wildgemüse-Lasagne

Zutaten: 400 g Wildgemüse je nach Wahl , 1 Stange Lauch, 3 Zwiebeln, Olivenöl, Gemüsebrühe, Saft einer halben Zitrone, 1 Becher Crème fraîche, 1 l passierte Tomaten, 500 g Lasagneblätter, 200 g geriebener Käse, Salz und Pfeffer, Gewürze (sechs Personen)

Zubereitung: Wildgemüse und Lauch schneiden, Zwiebel würfeln. 2 Zwiebeln in Öl andünsten, Wildgemüse dazu und mit Gemüsebrühe ablöschen, 5 Minuten garen, Crème fraîche unterrühren, Zitronensaft zugeben und würzen. Aus gedünsteter Zwiebel und Tomaten eine Soße herstellen. Form einfetten, mit Soße bedecken und mit Lasagneblättern auslegen, abwechselnd Gemüsemischung, Soße und Lasagneblätter aufschichten. Letzte Schicht aus Tomatensoße. Diese mit Käse bestreuen. Bei 180 Grad Ober- und Unterhitze ca. 45 Minuten im Backofen backen.

Buchtipp: Wildkräuterküche

Knapp zwei Dutzend Kräuterfrauen haben der Kräuterexpertin Bärbel Höfflin-Rock für das neue Kochbuch Wildkräuterküche ihre liebsten Rezepte verraten. Sie alle sind Mitglieder des Vereins Bauerngarten- und Wildkräuterland Baden, in dem ein enormer Wissens- und Erfahrungsschatz an alter und neuer Pflanzenkunde zusammengetragen und ausgetauscht wird. Bärbel Höfflin-Rock hat die Rezepte gesammelt, überarbeitet und vereinheitlicht. Sie hat kurze einführende Texte zu den Gerichten geschrieben, die die Besonderheiten der verwendeten Kräuter erklären und die Rezepte um weiterführende Tipps ergänzt.

60 ganz unterschiedliche Rezepte

Die ganze Bandbreite von Vorspeisen und Snacks, über Suppen, Salate bis zu Hauptspeisen und Desserts umfasst das übersichtlich gestaltete Kochbuch. Jedem Rezept ist eine Doppelseite gewidmet. Food-Fotografin Anna-Lena Holm hat mehr als ein Jahr an den Fotos gearbeitet, sie hat alle verwendeten Wildkräuter von Brunnenkresse bis Wegerich gesammelt, die Gerichte selbst gekocht und gekonnt in Szene gesetzt.

Das Ergebnis macht Freude

Die Mischung der Rezepte ist so bunt wie es die Wildkräuter sind und so kreativ wie die Kräuterfrauen und macht so richtig Lust, einmal kulinarisch mit Kräutern zu experimentieren: Von der Franzosenkrautsuppe mit Goldwürfeln über Mangold-Wiesenbärenklaus-Ecken zu Brennnesselschnitzeln, Giersch-Spinatfröschen bis zur Steinklee-Quarkcreme oder einer Schoko-Joghurt-Creme mit Pfefferminze. Die Autorin hat sich bewusst dafür entschieden, die Kräuter selbst nicht ausführlich darzustellen. "In diesem Buch stehen die Rezepte im Vordergrund, es ist ein Buch für alle diejenigen, die sich schon auskennen. Sie werden hier Inspiration finden. Jede und jeder kann die Rezepte abändern oder weiterentwickeln, ganz wie es für sie passt", sagt Höfflin-Rock. Kurzporträts mit Fotos der Kräuterfrauen, ein Glossar und Büchertipps ergänzen das wunderschön aufgemachte Kochbuch, das animiert, Kräuter zu sammeln und in die Wildkräuterküche einzusteigen.
Bärbel Höfflin-Rock, Wildkräuterküche, Kräuterfrauen verraten ihre Lieblingsrezepte, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 160 Seiten, 19,95 Euro

Infos zum Verein Bauerngarten- und Wildkräuterland Baden www.kraeuter-regio.de

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von Gabriele Hennicke
am So, 26. April 2020 um 07:00 Uhr

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