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Wildwasserwerk auf Wachstumskurs

Matthias Kaufhold
  • Fr, 26. Mai 2017
    Rudern und Kanu

Der Kanuclub Elzwelle Waldkirch ist mit Talenten gesegnet und feiert die Qualifikation von Fabian Schweikert für das A-Nationalteam / Kein Geld aus dem Fördertopf.

WALDKIRCH. Wie eine grüne Brücke spannen sich die Wipfel der Bäume über die Elz. Schüchtern blinzelt die Sonne an dieser Stelle des Flusses durchs Geäst. Wo das Rauschen der Strömung das Zwitschern der Vögel übertönt, taucht Anne Mia Eglin eine Hand ins kühle Nass. Lächelnd spritzt sich die 15-Jährige aus dem Waldkircher Ortsteil Buchholz Wasser ins Gesicht – dann ist es schlagartig vorbei mit der Bächle-Romantik. Eglin dreht ihr spitz zulaufendes Kanu flussabwärts ins Wildwasser und paddelt pfeilschnell zwischen Steinblöcken durch den Stangenwald, vorwärts, rückwärts, flink drehend, immer auf der Suche nach der schnellsten Linie ohne Stabkontakt mit maximaler Bootskontrolle. So geht Kanuslalom, jene olympische Disziplin, der sie sich beim Kanuclub Elzwelle Waldkirch seit nunmehr 20 Jahren verschrieben haben.

Für die paddelbegeisterten Elztäler ist das plätschernde Idyll im Grünen vor allem bei Schmelzwasser im Frühling die schönste Naturstrecke Deutschlands. Ernest Hemingway, der vor fast hundert Jahren flussaufwärts in Oberprechtal zum Forellenangeln ohne Genehmigung illegal durch die Elz watete, kannte bekanntlich nur drei Sportarten: Stierkampf, Autorennen und Klettern. Doch Fliegenfischer Hemingway ist in diesem Fall falsch gewickelt. Was die 40 Aktiven unter den 200 Mitgliedern beim KC Elzwelle auf der mit 100 flexiblen Stangen ausgestatteten 500-Meter-Strecke betreiben, ist kein gemütliches Schönwetterpaddeln.

Auf neun Trainingseinheiten pro Woche kommen Anne Mia Eglin, die als deutsche Schülermeisterin nun in die Jugendklasse aufgestiegen ist, und ihr 16-jähriger Vereinskollege Paul Bretzinger. Beide gehören in ihrem Jahrgang zu den Top Drei in Deutschland. Landestrainer und Vereinschef Frank Schweikert traut ihnen zu, mal einen ähnlichen Weg zu gehen wie sein Sohn: Fabian Schweikert hat vor drei Wochen den Sprung in den erlesenen Kreis der A-Nationalmannschaft geschafft. Als einer von drei Deutschen darf der 24-jährige in diesem Jahr im Kajak-Einer bei WM, EM und im Weltcup starten.

Steinig wie das Wildwasserbett der Elz verlief der Weg für Fabian Schweikert. Nach fünf Jahren in der U-23-Nationalmannschaft verlor der Waldkircher, der nach dem Abitur 2012 an den Bundesleistungsstützpunkt nach Augsburg zog, im vergangenen Jahr seinen Kaderstatus. Ausgerechnet bei der nationalen Qualifikation konnte Schweikert im ersten Männerjahr sein Potenzial nicht abrufen. Die Tür für alle internationalen Höhepunkte 2016 schlug ihm vor der Nase zu.

Weil ihm die Basis für den Leistungssport fehlte, musste improvisiert werden. Die Familie, der Verein und der Kanuverband Baden-Württemberg ließen Fabian Schweikert nicht im Regen stehen. "Alle haben zusammengelegt", sagt Vater Frank, der von Waldkirch aus die Trainingspläne schrieb. Das Durchhaltevermögen zahlte sich aus. "Wie Fabian sich das Jahr über durchgebissen hat, beeindruckte auch viele meiner Trainerkollegen", hat Frank Schweikert festgestellt. Auch der Nachwuchs in seiner Heimatstadt bewundert Schweikerts Beharrlichkeit. "Man freut sich natürlich für ihn", sagt Anne Mia Eglin. Doch zweimal Training am Tag? Das muss man schon wollen. Ob Eglin das will, ist ihr noch nicht klar. "Es muss weiter Spaß machen, denn man verpasst ja viel mit anderen Freunden", erklärt sie. Auch Paul Bretzinger hat noch nicht entscheiden, ob er ähnlich fokussiert auf die Karte Leistungssport setzen will. Bis zum Abitur genießt das Talent aus Glottertal die paradiesischen Zustände in der Waldkircher Talentschmiede: "Der Aufwand, der hier betrieben wird, ist enorm", sagt Bretzinger. "Wir kriegen ja fast eine einzelne Betreuung."

Alles ist noch im Fluss. Auch für Tokio 2020. In Fabian Schweikert und der aus Teningen-Köndringen stammenden Lena Stöcklin gibt es nun aber zwei Olympia-Anwärter, die in Waldkirch die Manövrierkunst durch Kehrwasser und Walzen erlernten. Die 27-jährige Stöcklin zog vor zehn Jahren nach Leipzig und tauschte dort das Doppelpaddel für das Stechpaddel ein. Im Einer-Canadier zählt Stöcklin für die olympische Premiere dieser Disziplin bei den Frauen in Tokio zu den ganz heißen deutschen Kandidatinnen.

Waldkirch ist und bleibt eine Kajak-Bastion im deutschen Kanuslalom. "Canadier ist nichts, was wir vorantreiben", stellt Frank Schweikert klar. Der Gymnasiallehrer erklärt das mit dem Know-How und dem Material, das beim KC Elzwelle speziell im Kajak-Bereich vorhanden sei.

Der Pferdefuß der Konzentration auf die Königsklasse Kajak: Der Landesstützpunkt in Waldkirch wird mit null Euro durch den Landessportverband (LSV) Baden-Württemberg gefördert. "Uns fehlen in diesem System die erforderlichen Punkte, weil wir nicht in mehreren Bootsklassen Spitze sind", erklärt Schweikert die Crux. Dabei haben die Waldkircher im vergangenen Jahr erst das Grüne Band für vorbildliche Talentförderung erhalten. Der Wunsch des ehrenamtlich tätigen Landestrainers: "Wir sind klein, und bekommen deshalb eine kleine, aber leistungsangemessene LSV-Förderung."

Einstweilen halten sich die Elz-Kanuten mit Mitgliedsbeiträgen, Sponsorengelder und der normalen Sportvereinsförderung über Wasser. Mehreinnahmen wären indes nötig für einen dringend erforderlichen Vereinsbus und das geplante Projekt eines Athletikraums unweit des Bootshauses im Stadtteil Kollnau. Sportlich gesehen könne es derzeit kaum besser laufen, sagt Frank Schweikert. Der Sprung seines Sohnes in den A-Kader gebe dem Verein großen Rückenwind und sei Ansporn für die Jugend. Was er zuweilen vermisst ist die Wertschätzung der jahrelangen Arbeit und die Anerkennung im Kanon etablierter Sportarten. "Was Fabian macht, ist absoluter Spitzensport", insistiert Frank Schweikert. Da würde wohl nur Hemingway widersprechen.

Alle Serienbeiträge finden Sie unter: http://mehr.bz/badeninbewegung

Kanuslalom

Beim Kanuslalom kommt es darauf an, eine durch Tore vorgeschriebene Strecke in fließendem Wasser möglichst schnell und fehlerfrei zu bewältigen. Für Torstangenberührungen werden Strafsekunden verhängt. Gefahren werden die Bootsklassen Einer-Kajak (K1) sowie Einer-Canadier (C1) und Zweier-Canadier (C2). Der Unterschied: Beim Kajak wird mit einem Doppelpaddel gesteuert, beim Canadier mit einem Stechpaddel, an dem am oberen Ende ein Griff montiert ist. Für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio ist der Zweier-Canadier der Männer zugunsten des Einer-Canadiers für Frauen aus dem Programm gestrichen worden. Erstmals finden damit bei Olympia nur Einer-Wettbewerbe statt – aber nun gleichviel für beide Geschlechter.

Ressort: Rudern und Kanu

Dossier: Baden in Bewegung

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 26. Mai 2017: PDF-Version herunterladen

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