"Wir verlassen den Wachzustand"

TICKET-INTERVIEW: Gore Verbinski über Horrorfilme, Thomas Mann, Europa und das Arbeiten in Deutschland.

Mit "Fluch der Karibik" verhalf er 2003 den Piraten zum phänomenalen Leinwand-Comeback, für den Animationsfilm "Rango" bekam er 2003 den Oscar. Heute ist Gore Verbinski (52) einer der einflussreichsten Regisseure Hollywoods. Mit "A Cure of Wellness" (Eine Wellnesskur) wagt sich der ehemalige Werbefilmer nach "The Ring" erneut ins Horrorgenre. Die deutsch-amerikanische Koproduktion entstand größtenteils in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, im Studio Babelsberg bei Potsdam und auf Burg Hohenzollern. Markus Tschiedert traf Gore Verbinski zum Interview.

Ticket: Wie kam es dazu, dass Sie sich deutsche Schauplätze für Ihren neuen Film ausgesucht haben?
Gore Verbinski: Ich suchte auch in der Schweiz, Österreich und Tschechien, aber nur in Deutschland fand ich alle Teile, die ich für dieses spezielle Puzzle brauchte. Meine Crew hielt ich bewusst klein, um durchs ganze Land reisen zu können. Stück für Stück fanden wir so die passenden Drehorte. Große Kulissen konnten wir aus finanzieller Sicht nicht bauen lassen, aber in Deutschland fanden wir alles, was wir suchten.
Ticket: Wonach haben Sie denn genau gesucht?
Verbinski: Das sieht man jetzt auf der Leinwand. Etwa die Klinik in den Schweizer Bergen, die wie eine Burg aussehen musste. Deshalb sah ich mir zwölf verschiedene Burgen an, aber nur die Burg Hohenzollern entsprach meinen Vorstellungen, um im Film wie ein eigener Charakter wahrgenommen zu werden. Zumindest äußerlich – für das Innere fanden wir ein altes Krankenhaus in Beelitz, Brandenburg. Die Aufnahmen mit dem Swimmingpool entstanden in Stuttgart, und Hamburg musste in einer Szene für New York herhalten. So kam Stück für Stück zusammen.
Ticket: US-Horrorfilme spielen oft in Europa. Ist Europa so angsteinflößend für Amerikaner?
Verbinski: Mich hatte eher Thomas Manns "Der Zauberberg" angesprochen. In seinem Roman ist von einem uralten Ort im Hochgebirge die Rede, der Zeuge vieler Dinge geworden ist. Daher mussten wir nach Europa kommen, denn in den USA gibt es keinen Ort, der so alt ist.
Ticket: Wie kamen Sie auf den "Zauberberg", interessieren Sie sich für deutsche Literatur?
Verbinski: Als wir für unsere Geschichte nach Krankheit und einem bestimmten Ort der Heilung suchten, war klar, dass wir an "Der Zauberberg" nicht vorbeikommen. Mein Co-Autor Justin Haythe war schon vorher ein Fan des Buches, ich habe es erst später angefangen.
Ticket: Zuletzt drehten Sie mit "Lone Ranger" einen Western. Warum die Rückkehr zum Horrorgenre?
Verbinski: Es ist eines der wenigen Genres, in dem wir unseren Wachzustand verlassen und uns in eine Traumlandschaft begeben. Für mich gibt es zwei Arten des Geschichtenerzählens. Die eine führt den Zuschauer durch die Geschichte, etwa in "Rango" oder "Lone Ranger". Die andere läuft genau andersherum. Es gibt keine Einführung, wir wissen nicht, wie alles funktioniert. So wird der Zuschauer motiviert, die Geschehnisse selbst aufdecken zu wollen.
Ticket: Der Film wirkt teils wie ein Alptraum, Kostüme, Kulissen und Requisiten wie aus einer anderen Zeit. Was war die Idee dahinter?
Verbinski: Sobald die Hauptfigur Lockhart den unheimlichen Ort der Klinik betritt, ist er in einer anderen Welt. Es gibt keine Computer, sein Handy versagt, seine Uhr bleibt stehen. Es geschehen irrationale Dinge und es wird klar, an diesem Ort wird bald die Hölle ausbrechen.
Ticket: Sind die alten Telefone und anderen Requisiten Originale, oder wurden sie extra angefertigt?
Verbinski: Die meisten stammen aus Deutschland. Die deutschen Requisiteure und Crewmitglieder waren wirklich großartig. Die deutsche Filmindustrie ist überhaupt legendär, und ich erinnere mich, wie ich das erste Mal hierherkam. Wir sprachen zwar nicht die gleiche Sprache, aber was uns sofort verbunden hat, war die Filmsprache. Inzwischen fühlt es sich hier wie Zuhause an, und ich will gern wieder in Deutschland arbeiten.
von tsc
am Fr, 24. Februar 2017

Info

A CURE OF WELLNESS

Regie: Gore Verbinski
Mit Dane DeHaan, Jason Isaacs, Mia Goth, Carl Lumbly, Lisa Banes u. a.
147 Minuten, frei ab 16 Jahren

Die Story
Weil der Chef von einer Kur in Europa nicht wiederkommt, soll Lockhart (DeHaan) ihn in die USA zurückholen. In der Klinik trifft er auf den dubiosen Leiter (Isaacs), der bei ihm sofort eine Krankheit diagnostiziert. Lockhart sitzt fest und macht eine schreckliche Entdeckung...  

Autor: bz

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