Tomi Ungerer-Ausstellung in Renchen

Zeichnungen zu den deutsch-französischen Beziehungen

Mit Kinderbüchern, die ihren jungen Lesern die düsteren Seiten des Lebens nicht vorenthalten, ist Tomi Ungerer berühmt geworden.

RENCHEN. Noch bis Mitte Januar ist im Renchener Simplicissimus-Haus die Ausstellung "Zwischen Marianne und Germania" mit Grafiken von Tomi Ungerer zu sehen. Am Mittwoch hielt Thérèse Willer, die Kuratorin der bislang glänzend besuchten Bilderschau, einen Vortrag über die "grafische Kunst" des engagierten Friedensstifters zwischen Frankreich und Deutschland.

Tomi Ungerers Schaffenskraft scheint unerschöpflich. Sein Gesamtwerk zählt rund 40 000 Zeichnungen. Der größte Teil, darunter viele Skizzen, blieben bis heute unveröffentlicht. 11 000 Zeichnungen werden im Straßburger "Musée Tomi Ungerer" aufbewahrt und in wechselnden Sonderausstellungen gezeigt. Thérèse Willer, die Leiterin des Museums, informierte in Renchen mit zahlreichen Illustrationsbeispielen über die fünf Hauptthemen in Ungerers vielschichtigem Œuvre. Seine ersten großen Erfolge habe der Autodidakt mit der Publikation von Kinderbüchern gefeiert, von denen über 70, in 30 Sprachen übersetzte Titel weltweit erschienen sind.

Sein Erstling, das Bilderbuch "The Mellops Go Flying", kam 1957 in New York heraus und wurde auf Anhieb ein preisgekrönter Bestseller. Die Geschichte einer kleinen, nach Glück und Wohlstand strebenden Schweinefamilie, übt Sozialkritik, vermittelt aber auch "ein Gefühl der Sicherheit" und des Grundvertrauens, betonte Willer. Mit den Bilderbüchern "Der Mondmann" (1966) "Zeraldas Riese"(1967), "Der Zauberlehrling" (1971) und "Der Hut" (1971) werde eine "neue Schaffensperiode" sichtbar. Ungerer thematisierte eine Vielzahl Angst einflößender Motive wie die Furcht vor Dämonen oder okkulte Erscheinungen im Kinderbuch. Wenn er zum Beispiel den bekehrten Menschenfresser als Familienvater darstellt und sich der Wolf vom drallen Rotkäppchen zum Traualtar zerren lässt, werde die befreiende Wirkung der ins Absurde und Groteske gesteigerten Komik auf die Spitze getrieben. In der Fabel vom "Papa Schnapp", "einer bösen Satire mit beißenden Humor" kritisiert er dagegen die ausufernde Konsumgesellschaft. Dieses Thema werde im Märchen Alumette erneut aufgegriffen, wohnt doch in diesem dunklen Kinderbuch Andersens "Mädchen mit den Schwefelhölzern"auf einer Abfalldeponie.

Ungerers 1973 veröffentlichte Fabel "Kein Kuss für Mutter", die Geschichte eines jungen Katers, der sich gegen die erdrückende Liebe seiner Mutter zur Wehr setzt, trägt autobiographische Züge. Es stößt in den USA auf heftige Kritik und wird mit dem Preis für das schlechteste Kinderbuch, ausgezeichnet.

Ungerers weitere Hauptthemen, die Werbung, satirische, gesellschaftskritische und politische Zeichnungen, Beobachtungsskizzen und die Erotika wurden von Willer mit einer enormen Fülle beeindruckender Beispiele behandelt. Die erschütternden Protest-Plakate Ungerers durften dabei natürlich keinesfalls fehlen. Dazu zählt "Dr. Strangelove" eine Illustration für den gleichnamigen Kubrick-Film, sein "White Power-Black Power"- Poster, in dem sich der weiße und der Schwarze Mann gegenseitig benagen; sein Engagement gegen den Vietnam-Krieg und das berühmte "Eat" (1967) in der dem Hungernden die sperrige Freiheitsstatue brutal in den Rachen gestopft wird.

Rund 50 Jahre später ist Tomi Ungerers Kunst weiterhin aktuell, ließ sich aus Wellers inspirierenden Vortrag unschwer ableiten.
Öffnungszeiten der bis zum 13. Januar 2016 im Simplicissimus-Haus Renchen gezeigten Ausstellung: Dienstags bis sonntags: 14 bis 18 Uhr, mittwochs: 10 bis 12 Uhr; Führung: 13. Dezember, 14 Uhr (Französisch) 15.30 Uhr ( Deutsch) und auf Anfrage 07843/707-19
von Wolfgang Winter
am Fr, 27. November 2015

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