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Zisch-Interview

"Die Lebensumstände müssen zum Tier passen"

  • Amina Frieda Kallo und Mira Pasquarelli, Klasse 4b, Silberbergschule (Bahlingen)

  • Fr, 14. Juli 2023
    Zisch-Texte

     

Anja Probst arbeitet im Tierheim in Emmendingen. Die Zisch-Reporterinnen Amina Frieda Kallo und Mira Pasquarelli haben sie zu ihren Arbeitsalltag und die Organisation des Tierheims befragt.

Anja Probst mit Amina Frieda Kallo und Mira Pasquarelli (von links)  | Foto: Amina Frieda Kallo
Anja Probst mit Amina Frieda Kallo und Mira Pasquarelli (von links) Foto: Amina Frieda Kallo
Im Sommer kommt bei vielen Tierhaltern die Frage auf, wer sich während des Urlaubs um das eigene Tier kümmern kann, oder ob sie mit dem Auto verreisen und das geliebte Haustier mitnehmen können. Leider gehen nicht alle Besitzer so verantwortungsvoll mit ihren Tieren um und deshalb kann man manchmal in den Medien von ausgesetzten Tieren aller Art lesen oder hören. Diese werden dann in das Tierheim in der Region gebracht. Das war für uns Grund genug, uns mal im Tierheim in Emmendingen umzuschauen, und Anja Probst unsere zehn wichtigsten Fragen zu stellen.

Zisch: Hallo Frau Probst, nun zur ersten Frage… Wie viele Tiere leben momentan bei Ihnen hier im Tierheim in Emmendingen? Und welche Tierarten sind es?
Probst: Momentan sind hier ungefähr 90 Tiere untergebracht. Davon sind ein Drittel Katzen und Katzenbabys, ein Drittel Hunde in jedem Alter und der Rest sind Kaninchen, Vögel und drei gefundene Schildkröten.

Zisch: Warum kommen die Tiere hierher?
Probst: Es gibt verschiedene Gründe, warum die Tiere hier im Tierheim sind. Der erste Grund ist, wenn Tiere von ihrem Besitzer abgegeben werden, weil sie nicht mehr gehalten werden können, weil zum Beispiel der Besitzer krank geworden oder sogar verstorben ist. Dann kommen die Tiere zu uns ins Tierheim, wenn die Verwandten sie nicht übernehmen können. Dann gibt es Fundtiere, die draußen rumstreunen und von denen kein Besitzer gefunden wird, der mit dem Tier in Verbindung gebracht werden kann. In seltenen Fällen haben wir auch noch Tiere, die durch das Veterinäramt aus einer schlechten Haltung befreit wurden.

Zisch: Wie sieht ein typischer Tag im Tierheim aus?
Probst: Das ist eine ganz spannende Frage. Zu einem typischen Tag im Tierheim gehört leider viel Saubermachen. Es geht morgens los mit Futterrichten für die Tiere und dann werden alle Unterkünfte geputzt. Die Zwinger werden geputzt und geschrubbt. Die Katzentoiletten und Katzenzimmer werden gesäubert. Wir wischen und fegen überall. Es gibt zwei- bis dreimal pro Tag was zu essen für die Tiere. Zwischendurch sind dann auch Beratungstermine, bei denen wir Interessenten hier haben, die wir dann betreuen. Dann geben wir die Hunde zu den Gassizeiten raus und in ganz seltenen Fällen haben wir dann auch noch etwas Zeit, um uns mal mit den Hunden oder anderen Tieren zu beschäftigen – ein bisschen zu spielen, zu kuscheln und auch, um ihnen ein bisschen was beizubringen.

Zisch: Wie viele Mitarbeiter haben Sie und welche Ausbildung sollten sie haben?
Probst: Wir haben hier momentan sechs Mitarbeiter, also gar nicht so viele. Das sind drei in Vollzeit und drei arbeiten hier in Teilzeit. Und zur Ausbildung: Ich, hier im Büro, habe schon mein ganzes Leben was mit Büro gemacht und habe keine Tierpflegerausbildung. Von den anderen Mitarbeitern, die für die Tierpflege zuständig sind, ist eine Kollegin gelernte Tierpflegerin und die anderen sind Quereinsteiger. Sie haben etwas anderes gelernt, wie zum Beispiel Gärtnerin, oder eine Mitarbeiterin arbeitete vorher im Bereich Modedesign und Kunst. Sie haben den Weg über die Berufserfahrung hierher ins Tierheim gefunden.

Zisch: Gibt es hier im Tierheim in Emmendingen so etwas wie "Tier-Kümmer-Tage"? Also so wie das Gassigehen, nur auch für andere Tiere? Zum Beispiel im Tierheim mithelfen bei den Katzen oder Kaninchen?
Probst: Wir haben bei uns im Tierheim Ehrenamtsgruppen, für die Katzen zum Beispiel. Das sind momentan fünf Personen. Sie kommen regelmäßig zweimal pro Woche und sie sind für verschiedene Katzenzimmer zuständig. Sie spielen mit den Katzen und versuchen, die wilden Katzen etwas an die Menschen zu gewöhnen. Das gibt es also durchaus, ja.

Zisch: Gibt es einen "Tag der offenen Tür", bei dem man sich mal alles anschauen kann?
Probst: Ja, am 4. Juni 2023 war der Tag des Hundes und da hatten wir hier "Tag der offenen Tür", aber am 8. Oktober 2023 ist dann das ganze Tierheim offen. Da zeigen wir die Hunde, Katzen, Meerschweinchen, die Vögel und alle anderen Tiere, die zu der Zeit dann gerade hier untergebracht sind. An diesem Tag ist jeder herzlich eingeladen, zum Tierheim zu kommen und sich alles anzuschauen.

Zisch: Wie viele Tiere kommen pro Jahr etwa ins Tierheim und wie viele werden vermittelt?
Probst: Also, ich glaube, dass ungefähr so viele Tiere vermittelt werden wie auch ins Tierheim kommen. Letztes Jahr hatten wir 250 Fundtiere, das heißt, es sind schon recht viele gewesen. Sicherstellungen aus dem Veterinäramt hatten wir letztes Jahr keine. Dieses Jahr haben wir allerdings schon zwei Fälle mit insgesamt neun Hunden. Und die Tierabgaben sind schwer zu benennen. Ich denke, es sind circa 50 bis 60 Hunde im Jahr und bei den Katzen sind es noch mehr.

Zisch: Was muss man tun oder haben, um ein Tier aus dem Tierheim adoptieren zu können?
Probst: Das ist immer bisschen unterschiedlich – es kommt auf das Tier an. Wenn es eine Katze ist, wünschen wir uns für alle Katzen, dass sie später die Möglichkeit haben, als Freigänger draußen zu sein. Wir machen bei jedem Tier in einem neuen Zuhause eine Vorkontrolle, wenn es aus dem Tierheim ausziehen soll. Wir fahren zu den Familien und schauen nach, ob das geht. Ist die Wohnsituation so, dass sich da das Tier wohlfühlt? Es muss nicht immer ein großes Haus sein. Es kann auch eine Wohnung sein, die schön ist mit Zugang zum Garten oder zu Feldern und Wiesen. Auch bei Hunden sind nicht unbedingt ein großes Haus und ein großer Garten notwendig. Es müssen einfach die Lebensumstände zu den Anforderungen des Tieres passen. Man sollte kein altes Tier irgendwo in den achten Stock vermitteln, wo es keinen Aufzug gibt, und ganz junge Tiere sollten nicht nur in einer kleinen Wohnung gehalten werden. Das ist alles sehr individuell.

Zisch: Wie wird das Tierheim finanziert? Reichen die Futter- und Geldspenden aus?
Probst: Das Tierheim wird von einem Verein betrieben und der Verein lebt von den Mitgliedsbeiträgen: Jeder Mensch, der Vereinsmitglied ist, zahlt einen Jahresbeitrag und darüber finanzieren wir uns. Dann haben wir Verträge mit verschiedenen Städten und Gemeinden. Die Stadt Emmendingen zahlt zum Beispiel jährlich einen Betrag X und dafür kümmern wir uns um alle Tiere, die in der Stadt gefunden werden. Das gibt es auch mit anderen Gemeinden. So kommen wir an Gelder. Dann kommen Spenden dazu. Es kommen auch Erbschaften dazu. Es gibt Menschen, die haben keine Angehörigen, und wenn sie versterben, vererben sie dem Tierheim entweder Geld oder Immobilien, die dann wieder verkauft werden. Mit diesem Geld können wir dann hier wieder alles bezahlen: das Futter, die Mitarbeiter, die Instandhaltung und so weiter.

Zisch: Gibt es eine Schutzgebühr bei der Adoption eines Tieres und, falls ja, wie hoch ist sie?
Probst: Ja, es gibt eine Schutzgebühr. Die ist bei Katzen 175 Euro. Dafür ist sie dann aber geimpft, gechipt, registriert und kastriert, damit sie keine weiteren Babys bekommen kann. Bei den Hunden liegt die Vermittlungsgebühr bei 450 Euro, dafür ist der Hund dann geimpft, gechipt, aber nicht zwingend kastriert. Bei den Kaninchen und Meerschweinchen liegt die Abgabegebühr zwischen 35 und 85 Euro.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 14. Juli 2023: PDF-Version herunterladen

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