Abenteuer für Familien

Zweribachfälle St. Peter

Auf Abenteuertour durch den Bannwald bei St. Peter – mit Tipps, wie das Wandern mit Kindern gelingt.

Das Wort "wandern" aussprechen? Bloß nicht. Stattdessen auf die Frage: "Wo geht’s denn heut’ hin?", lapidar antworten: "zum Wasserfall. Ein kleiner Ausflug." Denn einfach ist es nicht mehr, die beiden zwölfjährigen Freunde zum Wandern zu bewegen, aber ein wilder, uriger Wald mit Wasserfallkrönung zieht immer. So auch heute: Auf dem Programm stehen die Zweribachfälle in St. Peter.

Ausgangspunkt ist die Platte, eine auf etwa 1000 Meter liegende Hochebene in St. Peter. Die Fahrt dorthin führt eine kleine, enge Straße hinauf, immer höher "in den Himmel hinein", wie einer der beiden verträumt anmerkt. Vom Plattenhof aus laufen wir los, anfangs noch auf einem gepflasterten Sträßchen. Der aufgestaute Plattensee liegt glitzernd in der Sonne wie ein dunkler Rauchquarzschmuckstein, ein Stück weiter grasen Kühe auf dem welligen, weiten Wiesenteppich, der mit den weit verstreut liegenden Schwarzwaldhöfen das Landschaftsbild prägt. Dazu kommen mächtige Windräder, die sich wie riesige, außerirdische Pflanzen gen Himmel recken.

Kurz nach dem Langeneck kündigt ein Schild den "Urwald von morgen" an, und wir tauchen ein in ein Stück Wald, das seit 1970 ungestört von Axt und Kettensäge wachsen und wuchern darf. Nur um den Weg freizuhalten, darf Hand angelegt werden, ansonsten hat dort Totholz ein langes Leben.

Doch das war nicht immer so: Ende des 16. Jahrhunderts schlugen eigens aus Osttirol angeheuerte Holzfäller in den steilen Hängen Bau- und Brennmaterial für den Bergbau und die Eisenhütten. Ihnen folgten die Bauern, aber auch das Kloster St. Peter, die alle das Waldholz so intensiv nutzten, dass innerhalb von grade mal zwei Jahrhunderten vom ehemals üppigen Wald nur noch kümmerliche Reste übrig waren.

Davon ist heute in einem der ältesten Bannwälder Baden-Württembergs nichts mehr zu spüren. Je tiefer wir in den üppigen grünen Wald eintauchen und je steiniger und steiler der Weg bergab führt, umso mehr steigt die Stimmung der Jungs. Denn nicht nur, was ihre Zimmerordnung angeht, gilt: je aufgeräumter, umso langweiliger. Zwar stehen Buchen und Fichten anfangs recht ordentlich neben dem Pfad, aber schon bald wird’s "endlich wild", wie einer der Jungs feststellt. Baumstämme liegen kreuz und quer im Hang, strecken ihre Wurzeln wie Polypenarme in die Höhe. Als hätte ein Riese mit ihnen gespielt, ragen Felsbrocken wie hingewürfelt aus dem Moospelz. Daneben stehen ausgehöhlte Baumskelette und liegt eine kahle Tanne, die ausschaut "wie das Gerippe eines Dinosauriers", wie der Sohn findet.

Immer ruppiger wird der Pfad, wir kraxeln über Steintreppen und schon kündigt ein stärker und stärker werdendes Rauschen an, was wir kurz darauf auch sehen: In drei Stufen fällt der Zweribach die zerklüftete Halde hinab, benetzt spritzend und gurgelnd unsere Gesichter. Eine Eisenbrücke dient als Ausguck auf den ersten Fall, dem zu Füßen hat sich ein Baumstamm quergelegt und gibt eine prima Haltestange ab für die Mutigste aus unserer Gruppe, die sich tatsächlich unter die Wasserfalldusche wagt.

Eine Wasserschlacht später steigen wir weiter ab, eine Eisentreppe und Stahlgeländer geben den nötigen Halt. Unten angekommen ist es Zeit für ein Vesper am Fuße des Falls. Andächtig kauen wir unsere Brote und lassen uns einfangen vom fast hypnotischen Rauschen des Wasservorhangs.

Dass das abgeschiedene Leben im steilen, steinigen Gelände in früheren Zeiten jenseits der Idylle vor allem rau gewesen sein muss, zeigen Steinmauerreste im Wald. Und später diejenigen des Brunnenhofs, der einsam auf einer zauberhaften, grasbewachsenen Lichtung mit Ausblick stand, ehe er 1984 abbrannte. An seiner Stelle gibt es heute eine Schutzhütte, erhalten geblieben ist eine kleine Kapelle mit rußgeschwärzten Schindeln.

Beim knackigen Aufstieg zum Hirschbachfall vergessen die Jungs sogar das Murren, denn durch den urigen Wald braucht es stellenweise Hände und Füße. Von dort wäre der Rest der gut 7,5 Kilometer langen Tour schnell erzählt: Es geht zum Hohwartsfelsen, der kurzerhand zum Harry-Potter-Hogwartsfelsen wird und ein grandioser, aber mächtig steiler Ausguck ist, nichts für schwache Nerven; und von dort über Gschwanderdobel, Jockenhof und Schönhöfen zum Plattenhof zurück.

Aber als der Pfad kurz nach dem Hohwartsfelsen den Bannwald verlässt und wieder in einen breiten Weg mündet, merken wir: Wir wollen mehr. Mehr Wald und mehr Abenteuer. Und war da nicht ein Stück zurück ein spannend aussehender Pfad? Womöglich eine Abkürzung? Wir kehren um, nehmen den geheimnisvollen Trampelpfad. Zugegeben: Eine Abkürzung war es nicht. Und nach einer schönen, wilden Waldpassage, einem Weg der mit einem Mal endete, und einer abenteuerlichen Bach- und Wiesenüberquerung sind wir uns einig: Mission wilder Wald ist für heute erfolgreich abgeschlossen. Wir kommen wieder.
von anfe
am Mo, 24. September 2018

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