Schauspiel

Anita Vulesica inszeniert in Basel "Der Gehülfe" nach Robert Walsers Roman

Anita Vulesica inszeniert in Basel "Der Gehülfe" nach Robert Walsers Roman.

Zuerst dachte sie: Oh Gott, wie soll das gehen, diesen Roman auf die Bühne zu bringen. Doch dann machte es klick: Anita Vulesica entdeckte in Robert Walsers "Der Gehülfe" das thea- trale Moment. Am 13. Dezember ist im Basler Theater Premiere.

Es ist die erste Regiearbeit der in Kroatien geborenen Schauspielerin. Intendant Andreas Beck, der von Basel nach München weitergezogen ist, hatte ihr Robert Walsers Prosawerk angetragen – und sie ist inzwischen ungeheuer froh, Ja gesagt zu haben. Denn Anita Vulesica hat bei der näheren Lektüre von Walsers Roman dessen große dramatische Qualität entdeckt. Walser, der selbst gesagt hat, er wäre gern Schauspieler geworden, habe sehr plastische Figuren geschaffen, sagt die Regiedebütantin im Gespräch. Man stoße auf einen krassen Widerspruch: "Walser schreibt auf leisen Sohlen, aber in seinem Text geht es trotzdem hochdramatisch zu."

Solche Widersprüche, sagt sie, liegen ihr. Sie sei eine "Mischhaut": nie reine Komödie, nie reine Tragödie. Der Reiz des "Gehülfen" liegt für sie darin, dass er eine "abgründige Komödie" sei. "Die Fallhöhe jeder Figur ist enorm hoch." Und um was geht es für sie in diesem Text, von dem Robert Walser gesagt hat, er hätte nichts erfunden, alles erlebt und beobachtet? Anita Vulesica sieht in der Geschichte eines jungen Mannes, den es Anfang des 20. Jahrhunderts zu dem hochstaplerischen Fabrikanten und Erfinder Carl Tobler verschlägt, zugleich ein Familienepos und einen Gesellschaftsroman. In der Analyse des frühen Kapitalismus auf der Basis von Spekulation und eines Lebens auf Pump sei Walser seiner Zeit voraus gewesen. Auch habe er den Typus des Angestellten in die Literatur eingeführt. "Der Gehülfe" handelt nach Ansicht der Regisseurin vom Ruin einer Familie, die sich untereinander nur mit Kälte begegnen kann: einer Familie mit vier Kindern, aber emotional "ohne Vater und Mutter", einer materialistischen Familie, der es nur um Geld und Erfolg geht. Diese Kälte sei eine "vererbte Kälte", sie ziehe sich durch den ganzen Roman. Walser begegne seinen Figuren dabei mit großer Empathie: Er wisse, wovon er schreibe; er kenne, "was da drinnen schreit".

Dass man auf der Bühne einem Roman wie diesem – und eigentlich überhaupt keinem Roman – gerecht werden kann: Das ist Anita Vulesica bewusst. "Man kann nur verdichten." Das heißt auch, dass sie in ihrer Fassung auf den Erzähler verzichtet: "Ich will nicht, dass auf der Bühne die Blätter rascheln." Nichts soll an eine Lesung erinnern. "Ich war beglückt, als ich merkte: Das klingt nicht nach Literatur, sondern nach Theater. Nach gelebtem Leben!"

Kurz wird dieser Abend sein, 90 Minuten. Anita Vulesica wünscht sich, dass die Zuschauer Lust bekommen, den Roman zu lesen, aber auch, dass sie einfach einen unterhaltsamen Abend erleben. "Ich will dem Theater gerecht werden."

Termine: Premiere: Theater Basel, Schauspielhaus, Fr, 13. Dez., 19.30 Uhr
von Bettina Schulte
am Fr, 06. Dezember 2019

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