Porträt

Anja Lechner und François Couturier in Merzhausen

Ihre Arbeit ist geprägt von Freundschaft und Seelenverwandtschaft: Am 17. April treten Anja Lechner und François Couturier beim ECM-Festival in Merzhausen auf. Warum sich die beiden Musiker gut ergänzen:

Seit zehn Jahren arbeiten die deutsche Cellistin Anja Lechner und der französische Pianist François Couturier zusammen. Sie ist eine klassisch ausgebildete Musikerin mit Spaß an der Improvisation, er ein Jazzpianist, dem der Begriff Jazz zu eng gesetzt ist. Am 17. April treten sie beim Abschlusskonzert des ersten ECM-Festivals in Merzhausen mit ihrem Programm "Moderato Cantabile" mit Musik von G.I.Gurdjieff, Komitas, Federico Mompou und François Couturier auf.

Klassisch ausgebildet bei Lehrern wie Heinrich Schiff und János Starker, lernte Anja Lechner schon als Kind zu Hause den Sound von Miles Davis und Billie Holiday kennen. "Wenn es mich berührt, habe ich nie einen Unterschied gemacht zwischen klassischer Musik, Jazz, Soul und Rock und Pop", sagt Lechner im Gespräch. Während ihres Studiums realisierte sie, dass das Spektrum der Musik, die sie hörte, viel größer war als das ihrer Kommilitonen. Erste Ausflüge in die Welt außerhalb des klassischen Konzertbetriebs unternahm sie mit dem Duo Tango Mortale. Eine glückliche Fügung, denn später lernte sie so den argentinischen Bandoneon-Virtuosen Dino Saluzzi kennen und begann, mit ihm zu musizieren. Zusammen nahmen sie vier Platten für das Münchner Label ECM auf. Doch sich nur aufs Korsett des Tango reduzieren lassen wollte Lechner nicht.

"Wie im richtigen Leben gibt es auch in der Musik nicht nur eine Wahrheit." Cellistin Anja Lechner
Jazz bedeutet für Anja Lechner schlichtweg Improvisation, spontan aufeinander zu reagieren, sich nicht zu wiederholen, immer wieder auch ganz frei zu spielen und dabei eine eigene Sprache zu entwickeln. Das erwartet sie auch in der klassischen Musik. "Natürlich kann und will ich in einer Beethoven-Sonate nicht so frei spielen wie in der Improvisation, aber ich muss versuchen, die Musik immer wieder neu zu erleben. Das bedeutet zum Beispiel, nicht immer schön spielen zu wollen, auch einmal Risiken einzugehen, denn wie im richtigen Leben gibt es auch in der Musik nicht nur eine Wahrheit." Überhaupt mag sie keine festgelegten Begriffe. "Es gibt so viele verschiedene Facetten des Jazz – wo fängt er an, wo hört er auf?" Im traditionellen Sinne ist die Musik, die sie spielt, auch kein Jazz. "Ich bin keine Jazzmusikerin, und ich will auch gar keinen Begriff für das haben, was ich spiele. Ich mache einfach Musik."

Die Faszination und Magie, die von der Musik Gurdjieffs, Komitas und Mompous ausgeht, liegt in der ätherischen, elegischen Stimmung, die dem Hörer immer wieder neue Räume öffnet. Dieses Klangideal passt perfekt zur Spielweise und dem musikalischen Verständnis von François Couturier und Anja Lechner. Ihre gemeinsame Arbeit ist geprägt von einer tiefen Freundschaft und Seelenverwandtschaft. "Meine langfristigen musikalischen Partner haben immer etwas, das mich berührt", sagt Lechner. Das könne ihr Klang oder eine Phrasierung sein oder die Geschichte, die sie zu erzählen haben. "Ich muss ihnen vertrauen können und ich möchte auch immer etwas lernen. Es sind meist suchende Musiker. Das kann in der improvisierten genauso wie in der klassischen Musik sein."

Zunächst sichtete sie einen Berg von Partituren und Aufnahmen. Doch so spielen, wie sie notiert sind, konnten sie die Stücke nicht, denn der Cellopart in den reinen Klavierpartituren von Gurdjieff und Mompou musste erst noch geschrieben werden. "Wir nehmen das Material als Ausgangsbasis, um es neu zu gestalten oder es teilweise ganz frei zu verwenden. Da muss man vieles ausprobieren. Spielt man das ganze Stück oder nimmt man nur ein Thema oder gar nur ein Motiv, verändert man das Tempo oder den Charakter", sagt Lechner. Vieles ergab sich während der gemeinsamen Proben, bei manchen Stücken schrieb Couturier neue Arrangements. "Es kann aber auch sein – ziemlich sicher sogar –, dass wir vieles am Abend des Konzerts dann ganz anders spielen."

Zugute kommt Lechner und Couturier, dass sie die gleichen musikalischen Vorlieben haben. "Wenn ich mit ihm auf der Bühne bin, muss ich nicht mehr denken, da kann ich mich fallen und treiben lassen", sagt Lechner. "Ich freue mich immer über seine im Moment erfundenen Melodien, bei denen er anfängt, zu fliegen. Das ist wunderbar."


Das ECM-Festival in Merzhausen im Überblick

Freitag, 15. April 2016, 20 Uhr – Eröffnungskonzert mit Nik Bärtsch’s Mobile im Forum Merzhausen. Onlinetickets auf bz-ticket.de.

Samstag, 16. April 2016, 19:30 Uhr – Marcin Wasilewski Trio im Forum Merzhausen. Onlinetickets auf bz-ticket.de.

Samstag, 16. April 2016, 22:30 Uhr – Zsófia Boros im Forum Merzhausen. Onlinetickets auf bz-ticket.de.

Sonntag, 17. April 2016, 11:00 Uhr – ECM Matinée mit dem Duo Gazzana im Forum Merzhausen. Onlinetickets auf bz-ticket.de.

Sonntag, 17. April 2016, 19:00 – Abschlusskonzert mit Anja Lechner und Francois Couturier im Forum Merzhausen. Onlinetickets auf bz-ticket.de.

Vorverkauf auch unter Tel.: 0761 - 496 88 88 oder bei den BZ-Geschäftsstellen.

von Andreas Collet
am Mo, 11. April 2016 um 00:00 Uhr

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