Ticket-Interview

AnNa R. über ihre Band Gleis 8, die im Jazzhaus spielt

TICKET-INTERVIEW mit Ex-Rosenstolz-Sängerin AnNa R. über ihre Band Gleis 8.

Die zweite Platte der Band Gleis 8 war etwa zur Hälfte fertig, als das Schicksal zuschlug. Saxophonist Lorenz Allacher, genau wie Sängerin AnNa R. früher bei Rosenstolz tätig, starb trotz guter Prognose an Krebs. Praktisch zeitgleich kämpfte auch Bandmitglied Manne Uhlig gegen die Krankheit – ihm geht es heute wieder gut. Steffen Rüth hat mit AnNa R. (46) über das aktuelle Album "Endlich" und die schwierigen Begleitumstände seiner Entstehung gesprochen.

Ticket: AnNa, als 2013 das Gleis-8-Debüt "Bleibt das immer so" erschien, beschrieben Sie das Verhältnis innerhalb der Band mit "mehr als eine Affäre, auf dem Weg zur Beziehung". Wie sieht es heute aus?
AnNa R.: Das ist jetzt auf jeden Fall was Festes. Wir mussten uns anfangs aneinander gewöhnen, das ist bei neuen Beziehungen ja ganz normal. Es ging um banalste Sachen, etwa: "Um wie viel Uhr fangen wir morgens an zu arbeiten und frühstücken wir vorher einzeln oder dann gemeinsam?"
Ticket: Und?
AnNa R.: Die Jungs treffen sich um 11 Uhr zum Frühstück, und ich frühstücke zu Hause und stoße um 12 Uhr dazu (lacht).
AnNa R.: Wie unterscheidet sich das zweite vom ersten Album?
AnNa R.: Wir sind, wie man so schön sagt, natürlich gewachsen. Musikalisch und textlich ist alles noch dichter, verdichteter geworden. Mir hat letztens ein Journalist gesagt, dass wir ja ganz schön mutig wären mit unserer Musik.
Ticket: Wieso das?
AnNa R.: Weil wir völlig gegen den Strom schwämmen und nicht so minimalistisch seien wie der Rest. Dabei finde ich unseren Sound eigentlich ganz doll minimalistisch (lacht). Aber gut, manche unserer Lieder klingen wohl tatsächlich ein bisschen größer und voluminöser als viele andere.
Ticket: Im "Schreien" schreien Sie tatsächlich. So kennt man Ihre Stimme gar nicht.
AnNa R.: Manchmal muss man einfach schreien, um wieder Luft zu bekommen. Dieses Gefühl ließ sich nur auf diese Art transportieren, das Lied musste einfach gemacht werden. Wir schrieben "Schreien", als wir die Diagnose von Lorenz hatten und kurz, bevor die Diagnose von Manne kam. Man kann nicht immer alles in sich reinfressen, man muss es auch mal rauslassen und wütend sein.
Ticket: Themen wie Tod und Abschied sind allgegenwärtig auf "Endlich". Ist es ein Traueralbum?
AnNa R.: Nein, das finde ich nicht. Es ist melancholisch, klar, es geht viel um Verlust, aber ich finde es alles in allem ziemlich hoffnungsvoll. Das "Lied zum Schluss", das wirklich traurig ist, auch weil es das letzte ist, an dem Lorenz mitgeschrieben hat, handelt zwar generell vom Tod, war aber ursprünglich nicht für ihn gedacht. Auch, weil wir bis zum Schluss daran glaubten, dass Lorenz es schafft.
Ticket: Habt Sie und die anderen beiden Musiker nach seinem Tod über die Auflösung von Gleis 8 nachgedacht?
AnNa R.: Nein. Das hätte auch nicht geholfen, zumal Lorenz die Band sehr, sehr wichtig war. Sie war sein letztes Aufbäumen. Nicht weiterzumachen, das hätten wir ihm nicht antun können.
Ticket: Wie hat die Band nach Lorenz Allachers Tod die Kurve gekriegt?
AnNa R.: Wir sind drei fröhliche Menschen, und mit Lorenz waren wie vier fröhliche Menschen. Wir lachen auch weiterhin sehr viel. Auf Dauer in Trübsal und Selbstmitleid zu versinken, das liegt uns einfach nicht. Auch haben wir entschieden, ihn auf der Bühne nicht zu ersetzen. Wir füllen seine Stelle musikalisch aus, statt Saxophon und Trompete gibt es jetzt mehr Keyboard und Harfe.
Ticket: Sie haben auf dem neuen Album "Engel" von Rammstein gecovert. Was ist der Grund?
AnNa R.: Ich und wir alle sind schon immer Rammstein-Fans gewesen, deren Sänger Till Lindemann und ich, wir sind auch befreundet. Es ist ganz schwer, etwas von Rammstein aufzunehmen, trotzdem wollten wir es unbedingt versuchen. Da die meisten Songs einfach zu heftig sind, als dass eine Frau sie singen kann, bot sich "Engel" an. Das Stück gibt auch melodisch viel her.

Termin: Freiburg, Jazzhaus, Mi, 23. November 20 Uhr. Vorverkauf beim BZ-Karten-Service (bz-ticket.de/karten oder Tel. 0761 / 496-8888) und bei allen BZ-Geschäftsstellen.
von rüth
am Fr, 18. November 2016

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